Ueber den Horizont hinaus - Band 1
entspannten Stimmung in Falten lag.
Es fiel Olaf schwer, sich auf die Gespräche zu konzentrieren, den Anspielungen und geschäftlichen Andeutungen zu folgen und mehr als zuvor begann er sich zu wünschen, dass alles vorbei wäre. Ja, er wünschte sich sogar, aus diesem Haus verschwinden zu dürfen, sich zurückzuziehen in die scheinbare Sicherheit seines Lebens außerhalb dieser Familie, in sein eigenes Leben, so verbunden es auch mit all den Regeln und Emotionen in diesem Gebäude war.
Endlich war das Mahl beendet und der gelöste Teil des Abends begann, eine Ausrede für die Aufnahme von Geschäftsgesprächen oder zumindest für den Ansatz derselben.
Olaf benutzte die erste Gelegenheit, um sich loszueisen und steuerte auf Christian zu, der mit unglücklichem Gesichtsausdruck gerade Instruktionen seiner Mutter entgegennahm.
Danach behalf dieser sich zu einem Glas Limonade und ließ sich seufzend auf einem Stuhl neben dem Kamin nieder, in höflichem Abstand zu der Runde von Geschäftsleuten, Firmenbossen und leitenden Managern, die sich, unterstützt von Zigarrenqualm und teurem Whiskey, bereits ihren fachlichen Diskussionen widmete.
Er war der einzige Teenager im Raum und Olaf musste zu seinem Unwillen feststellen, dass er selbst der einzige Vertreter seiner eigenen Altersklasse sein dürfte.
Die meisten Freunde gehörten verständlicherweise zur Generation seiner Eltern, wenige Ausnahmen bildeten lediglich die vereinzelt anwesenden jüngeren Ehefrauen, die sich hauptsächlich als schmückende Beigabe an den Arm ihres Mannes hängten, oder sich vereinten und gemeinsam zu weniger geschäftlichen Gesprächen zurückzogen.
Doch als Olaf sich von den Geschäftspartnern seines Vaters löste und vermeintlich diskret auf Christian zusteuerte, hielt ihn dieser zurück.
Olaf unterdrückte einen Protestlaut, als sich die Hand Hannibals in seinen Arm krallte und sah fragend zu diesem auf.
„Was ist los?“
Hannibal schüttelte kurz und ruckartig seinen Kopf und senkte seine Stimme, während er Olaf in einen Nebenraum zog.
„Halt dich fern von ihm!“ Hannibal wies in Richtung Christians.
„Ich verstehe nicht.“ Um ehrlich zu sein, wollte Olaf nicht verstehen, ahnte er doch bereits, worauf sein Vater hinauswollte. Dieser kam näher, starrte ihm in die Augen.
„Er macht nur Ärger. Du dagegen hast eine Aufgabe zu erfüllen. Das hier ist nur eine Übung, nur sinnloses Geplänkel. Und doch wirst du all diese Menschen wiedersehen, in anderer Umgebung, in einer Umgebung, in der es auf deine Entscheidungen ankommt und auf ihr Urteil.“
Hannibal schwieg, drückte dann fester zu, als wollte er auch auf physische Art seinen Punkt verdeutlichen.
Auch Olaf senkte seine Stimme. „Er ist mein Bruder“, zischte er. „Was zum Teufel hat er dir getan?“
Hannibal verzog missbilligend die Lippen. „Er wird uns alle in Verruf bringen.“ Der Vater knurrte förmlich. „Du wirst noch früh genug erfahren, wie wichtig gesellschaftliches Ansehen in unserer Branche ist. Und dein Bruder…“ Hannibal schnaubte abfällig, schüttelte dann den Kopf, ließ Olaf los und fuhr sich über die Stirn.
„Dein Bruder hat noch einen Freibrief, der sich auf seiner Jugend gründet.“ Er stöhnte auf.
„Ich kenne allerdings Männer wie ihn. Er wird sich nie zusammenreißen, er wird nie in der Lage sein, sich so zu kontrollieren, wie es notwendig ist, so wie du und ich es gelernt haben.“
„Er hat das Recht auf seine Jugend, auf seine Freiheit“, verteidigte Olaf den Jüngeren. „Und das Recht, einen anderen Weg einzuschlagen, ein anderes Leben zu führen.“
Wieder schüttelte Hannibal den Kopf. „Das hat er nicht“, stellte er fest. „Er ist Teil dieser Familie und das Mindeste besteht darin, dass er sich an die Regeln hält. An ein Mindestmaß an Regeln und sei es nur, aus Rücksicht.“
Olaf biss sich auf die Lippen. „Ich sehe einfach nicht, was er so Schlimmes angestellt haben könnte.“
Hannibal beugte sich zu ihm, verringerte den wenngleich geringen, doch dennoch niemals für Olaf einzuholenden Größenabstand zwischen ihnen.
„Er treibt sich mit Leuten herum, deren Umgang ich ihm wiederholt verboten habe. Wiederholt!“
Olaf schüttelte den Kopf. „Er ist jung, er muss seine Erfahrungen machen. Du wusstest auch nicht, mit wem ich damals befreundet war.“
Hannibal zog seine Augenbrauen hoch. „Denkst du? Denkst du das wirklich?“
Olaf verstummte für einen Moment. „Was soll das bedeuten“, brachte er
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