Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Einfluss war, wie unwichtig seine Einmischung wurde ihm schlagartig klar und Hoffnungslosigkeit und Trauer überfielen Olaf mit Macht.
Er schwankte in Richtung der Sitzecke, ließ sich auf das Lederpolster sinken und barg den Kopf in beiden Händen. All das war zu viel.
War er bereits bei seiner Ankunft erschöpft gewesen, so überfiel ihn die Müdigkeit nun mit Macht. Was auch immer er tat, was auch immer er versuchte, wie sehr er auch kämpfte, es bedeutete nichts, würde nie etwas bedeuten.
Olaf rieb seine Augen, bevor ihm bewusst wurde, wo er sich befand.
Er erhob sich mühsam, schwerfällig, mutlos auf eine bislang unbekannte Art.
Olaf ging zur Schwelle, ließ seinen Blick über die Gesellschaft schweifen, die sich in Gruppen zurückgezogen hatte, in offensichtlich anregende Gespräche vertieft war und er konnte es nicht mehr ertragen, ein Teil davon zu sein.
Er bedeckte seine Augen, vermied es absichtlich, sich nach Christian umzusehen, bevor er sich langsam und so unauffällig es ihm möglich war, zur Treppe begab und diese beiläufig und leise hinauf schlenderte.
Seine Schritte beschleunigten sich, je näher er dem ersten Stock kam und am Schluss rannte er beinahe, bis er seine Zimmertür erreichte, stieß diese auf und klappte sie etwas zu laut, um unauffällig bleiben zu können, wieder zu.
Er verwünschte sich in dem gleichen Moment für seine Unvorsichtigkeit, beruhigte sich jedoch mit der Überzeugung, dass ihn bei dem Trubel unter ihm niemand gehört haben dürfte.
Er wollte gerade die Tür von innen verriegeln, als er leichte Schritte vernahm. Und bevor er reagieren und den Riegel zuziehen konnte, klopfte es heftig.
Olaf rührte sich nicht, vertraute der vagen Hoffnung, dass sein Rückzug unbemerkt geblieben war.
„Ich weiß, dass du hier drinnen bist“, sagte Christian leise, durch die Tür. Es klang nah genug, dass Olaf ihn vor sich sah, wie er sich gegen das Holz drückte, seine Lippen mit dem Abstand von nur wenigen Millimetern davor, bewegte.
„Ich habe dich hineingehen sehen“, fügte der Jüngere dann hinzu. Doch Olaf schwieg immer noch, wartete ab, hoffte, dass Christian den Versuch aufgeben würde.
Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte nicht ausmachen, ob sich jemand fort von der Tür, fort von ihm bewegte.
„Olaf, bitte!“ Christians Stimme klang so leise, dass Olaf sie kaum hören konnte. Er fühlte die Bitte geradezu und ehe er sich zurückhalten konnte, hatte er die Tür geöffnet.
Christian schlüpfte durch den Spalt, drückte sich an Olaf vorbei, berührte ihn, da Olaf keine Anstalten unternahm, ihm auszuweichen.
Olaf hielt den Kopf gesenkt, unschlüssig, was er tun sollte, unfähig den Anderen anzusehen.
Erst nach einer Weile schloss er die Tür langsam. „Was willst du?“ Olaf fiel selbst auf, wie heiser und erschöpft seine Stimme klang, und so wunderte er sich nicht darüber, keine Antwort zu erhalten.
Als er dann doch aufblickte, stand Christian in der Mitte des Raumes und sah ihn groß an, sein Ausdruck am ehesten vergleichbar mit dem eines verwundeten Rehs.
„Ich weiß, was er gesagt hat“, stieß der Jüngere schließlich hervor. „Ich wollte das nicht, ich wollte nicht, dass er das an dir auslässt.“
Olafs Mund klappte auf und wieder zu, vorerst ohne, dass ein Ton herauskam.
„Er… er hat nichts an mir ausgelassen“, stellte er dann fest und sah Christian forschend an.
„Es war nichts“, fügte er dann noch, wenngleich weniger überzeugend hinzu.
Christian holte tief Luft, erwiderte Olafs Blick jedoch zweifelnd.
Dann ging er auf ihn zu, bis sie sich so nahe standen, dass sie sich fast berührten.
„Es tut mir leid“, flüsterte er und aus einem Grund, den Olaf nicht begreifen konnte, blieb der Blick des Jüngeren an Olafs Unterlippe haften, konzentrierte sich auf diese, bis Olaf glaubte, sie würde zu zittern beginnen.
„Es tut mir wirklich leid“, wiederholte er leise, richtete sich dann auf, streckte sich Olaf entgegen und presste seinen Mund auf den des Älteren.
Das Zimmer begann sich um Olaf zu drehen und auf der Suche nach Halt schlang er seine Arme um Christian, der die Lippen öffnete und gleichzeitig erzitterte.
Er schmeckte süß und frisch, nach Jugend und Limonade und Olaf schloss seine Augen und ließ es zu, dass sich der Bruder an ihn schmiegte, dass die schlanken Hände an seinen Seiten empor wanderten, seinen Rücken entlang und sich in Olafs Nacken verschränkten.
‚Oh Gott!‘
Mit einer
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