Ueber den Tod hinaus
flüsterte. Und verstummte, als sei nichts gewesen.
Seven ging weiter. Sie umrundete den Bus, während erste Polizeiwagen am Unfallort eintrafen, gefolgt von Rettungsfahrzeugen. Nur Sekunden später entfaltete sich hektische Betriebsamkeit uniformierter Helfer.
Aus den offenstehenden Türen des Busses drang ein Gemisch unterschiedlicher Laute, das in seiner Gesamtheit geradezu beängstigend klang.
Zögernd langte Seven nach einem Haltegriff neben einer mittleren Tür und zog sich hoch. Der Mittelgang zwischen den Doppelsitzen war von Glassplittern übersät, als habe ein Juwelier seinen kompletten Diamantenbestand achtlos hingestreut. Die Fenster des Busses waren bei dem Zusammenstoß aus den Rahmen geplatzt, die Seitenwand dort eingedrückt, wo sich darunter der Beetle ins Blech gebohrt hatte.
Die Mehrzahl der Insassen schien weitgehend unverletzt, von ein paar blauen Flecken vielleicht abgesehen. Einige hatten sich, als sie von ihren Sitzen gestürzt waren, allerdings Wunden zugezogen, und auch das splitternde Glas mochte seinen Teil dazu beigetragen haben.
Seven sah - Blut. In Gesichtern, auf Armen und Händen.
Und sie wartete darauf, daß etwas wie eine kalte Faust von ihrem Bauch her unweigerlich in der Kehle hochstieß und alles mit sich emporriß, was sich in ihrem Magen befand.
Übelkeit ließ Sevens Knie zittern. Schwäche wollte sie vollends überkommen, und schon glaubte sie, nicht länger stehenbleiben zu können. Sie wollte sich einfach fallen lassen, die Augen schließen, um das Blut nicht mehr sehen zu müssen - - aber sie ging statt dessen weiter in den Bus hinein.
Weil sie es tun mußte!
Neben einer älteren Frau blieb Seven stehen. Als könne die Reporterin ihren Hals nicht mehr bewegen, mußte sie hinabsehen, auf die Verletzte, die im Gang kniete und sich stöhnend an einer Sitzbank abstützte.
Eine breite Wunde klaffte in der Stirn der Frau, einem grinsenden Mund gleich, rot geschminkt und blutigen Speichel ausspuckend.
Spätestens jetzt hätten Seven die Sinne schwinden müssen. So war es immer gewesen. Seit frühester Kindheit, seit sie damals ihren Vater - Seven kniete nieder. Neben der Frau, den Blick unverwandt auf die blutende Kopfverletzung gerichtet.
Gallebitterer Geschmack sammelte sich in ihrem Mund, beißend, furchtbar. Alles in ihrer Mundhöhle schien sich zu verkrampfen.
Schwach metallischer Geruch, kupferartig und warm, stieg ihr von der Wunde her in die Nase.
Seven spannte jeden Muskel, wollte aufstehen, sich abwenden, wegrennen - Aber sie blieb knien.
Und streckte einen Finger nach der Wunde aus. Tauchte die Spitze in das Blut.
Die verletzte Frau mochte glauben, Seven wolle das Blut aus ihrem Gesicht wischen. Ihr Blick drückte Schmerz und Dankbarkeit aus.
Und dann nur noch Erschrecken - Entsetzen!
Als Seven den Finger wegnahm, an ihre eigenen Lippen führte -und ableckte!
Die Fassungslosigkeit, der Schrecken in den Augen der Frau schien auf Seven überzuspringen. Regelrecht überwältigt fühlte sie sich davon, und endlich durfte alles geschehen, was bislang auf unmögliche Weise, von irgend etwas Fremdem unterdrückt worden war.
Seven übergab sich.
Blutiges Rot füllte wallend wie Sturmwogen ihr gesamtes Blickfeld aus.
Und wurde dann zu tiefer Schwärze, in der Seven van Kees entkräftet versank.
Ihr letzter Gedanke war: Nie mehr auftauchen, niemals mehr ...!
Und das Letzte, was sie hörte, jene andere Stimme: Du mußt! Und du WIRST...
*
Vorher
Lilith Eden versuchte die Fahrt zu genießen. Aber es wollte ihr nicht recht gelingen. Sie war beunruhigt, ihre Sicherheit und Coolness waren nur zur Schau getragen. Ihre Gedanken eilten voraus und stießen doch nur ins Leere, weil die Halbvampirin nicht die geringste Ahnung hatte, was sie eigentlich erwartete - - im Hause von Max Beaderstadt.
Er war derjenige, der sie auf diese ungewöhnliche Weise zu sich eingeladen hatte.
Max Beaderstadt, Milliardär. Exzentriker. Herr über ein weltweit verzweigtes Firmennetz. Ein lebendes Mysterium .
Wobei es durchaus Stimmen gab, die letzteres bezweifelten - zumindest den Zusatz »lebend«.
Denn tatsächlich hatte sich Max Beaderstadt seit Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit gezeigt, jedenfalls nicht offiziell, und daraus waren der menschlichen Natur gemäß eine ganze Reihe abstruser Gerüchte entstanden; sie reichten von »unheilbarer Krankheit«, unter der Beaderstadt angeblich litt, bis hin eben zu seinem Tod, der lediglich von Familien- und Unternehmensseite
Weitere Kostenlose Bücher