Ueber den Tod hinaus
nicht bestätigt worden war.
Andere wiederum wollten wissen, daß der alte Beaderstadt sich hatte einfrieren lassen, um die Zeit zu überdauern, bis die Unsterb -lichkeit »erfunden« war; und Teil dieses Gerüchtes war, daß in geheimen Labors der Beaderstadt Industries an genau dieser Erfindung gebastelt wurde .
Lilith konnte nichts anderes tun, als sich überraschen zu lassen.
Sie hatte die mysteriöse Einladung nicht einfach ausschlagen können. Die Tatsache, daß Max Beaderstadt (oder wer auch immer unter seinem Namen firmierte) von ihrer Existenz wußte, machte es notwendig, ihm gegenüberzutreten. Schon um herauszufinden, wie gut er sie kannte und was er im Detail über sie wußte.
Fitzpatrick McNee lenkte den riesigen Rolls Royce durch Sydney, in Richtung Innenstadt. Wie ein Schiff auf ruhiger See glitt die Limousine dahin, und Lilith wünschte sich, sie hätte das Wohlgefühl, in den federweichen Lederpolstern zu sitzen, intensiver auskosten können. Aber sie saß leider wie auf glühenden Kohlen .
Ihre Versuche, Einzelheiten zu erfahren, umging McNee stoisch lächelnd und mit leeren Phrasen, bis sie es aufgab.
Der Rest der Fahrt verlief schweigend, in nahezu vollkommener Stille, denn der Verkehrslärm drang ebenso wenig in das Fahrzeuginnere wie das Motorengeräusch des Wagens selbst.
Lilith hing weiter ihren Gedanken nach. Sie dachte darüber nach, was sie noch über Max Beaderstadt wußte - und nach menschlichem Ermessen doch nicht wissen konnte, denn im Grunde genommen war sie bislang kaum mehr als ein Gast auf dieser Welt gewe-sen!
Nach dem ersten (und vorzeitigen) Erwachen in ihrem Geburtshaus an der Paddington Street hatte Lilith zwar jede Sprache dieser Welt sprechen und verstehen, jede Schrift schreiben und entziffern können, aber die Realität als solche war ihr noch fremd gewesen. Zwar hatte sie über jede nur denkbare Information verfügen können, aber die Fähigkeit, bestehende Zusammenhänge zu erkennen oder neue zu knüpfen, hatte ihr weitgehend gefehlt. Daraus hatte damals eine gewisse Naivität resultiert, die sie der fehlenden Reife wegen nie ganz losgeworden war.
Die beiden Jahre, die sie jetzt schlafend in ihrem Haus zugebracht hatte, hatten dieses Manko indes beseitigt. Jetzt endlich fühlte sich Lilith, als habe sie schon immer wirklich gelebt, sie wußte und kannte, was jeder Mensch wußte und kannte - und noch ein bißchen mehr!
Deshalb wußte sie auch, wer Max Beaderstadt war. Weil - zumindest in Sydney, vielleicht auch in ganz Australien - jedes Kind wußte, wer und was Max Beaderstadt war: eine Legende, ein moderner Heiliger, eine Kultfigur, ein Übermensch ...
Beaderstadt hatte einen Sohn, Armand. Ein Schönling war er, ein Playboy, ein Lebemann. Hätten die Gerüchte gestimmt, daß Beader-stadt senior nicht mehr lebte, wäre der Junior der denkbar ungeeignetste Nachfolger in der Firmenleitung gewesen. Er schien sich nur darauf zu verstehen, wie man Geld ausgab, nicht aber, wie man es hereinholte.
»Er ist ein Sammler.«
»Was?« Lilith schreckte auf. Fitzpatrick McNees Worte hatten sie aus ihren Gedanken gerissen.
»Mister Beaderstadt«, lächelte McNee über die Schulter. Daß er Li-liths Abbild im Rückspiegel nur verschwommen sehen konnte, weil das Glas ihr vampirisches Erbe schlicht leugnete, schien ihn weder zu wundern noch zu stören. Offenbar wußte selbst er mehr über sie, als für Lilith gut sein konnte.
»Was ist mit ihm?« Lilith begriff noch immer nicht ganz, zudem überraschte sie die plötzliche Auskunftsbereitschaft des Fahrers, Dieners und was auch sonst noch in Personalunion.
»Er ist ein Sammler«, wiederholte McNee geduldig. »Mein Herr sammelt ... schöne Dinge.«
»Ach ja?« machte Lilith. Was wollte ihr der andere damit sagen?
»Ich dachte, das könnte unter Umständen Ihre Frage nach dem Grund seiner Einladung beantworten.«
Lilith schwieg. Weil sie verstand, was McNees Andeutung bedeutete, oder zumindest bedeuten konnte.
Schöne Dinge . Das hieß also, vielleicht, daß Max Beaderstadt ein . .. Ding in ihr sah.
Lilith zuckte die Schultern. Na gut, immerhin ein schönes Ding ...
»Wir sind da.«
Wieder gelang es Fitzpatrick McNee, Lilith zu überraschen. Vielleicht lag es auch daran, daß sie nicht das Gefühl hatte, zu fahren, sich von der Stelle zu bewegen. Der Rolls Royce glitt förmlich dahin, lautlos und ohne die geringste Schwankung.
McNee wies mit dem Kinn nach vorne. Wo der sogenannte Bea-derstadt-Tower aus dem Häusermeer
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