Ueber den Tod hinaus
der Sydneyer City aufragte und alles überragte.
So groß, so erhaben, so düster, daß er selbst die untergehende Sonne zu verdunkeln schien .
*
Von außen wirkte der Beaderstadt-Tower ganz anders als die Residenzen vergleichbarer Firmenzentralen. Er war kein sichtbares Zeichen des High-Tech-Zeitalters, kein Bau aus spiegelndem Glas und Stahl.
Dieses Gebäude sah auf ganz eigene Weise alt aus. Als stehe es schon seit Jahrhunderten. Über und über mit Fresken und architektonischen Schnörkeln versehen, mit Nischen und Winkeln in der Fassade, in denen, von unten kaum zu erkennen, groteske Steinfiguren kauerten. Und der Stein, aus dem das vielstöckige Hochhaus bestand, war dunkel, fast schwarz, als hätten ihm Jahrzehnte mit Schmutz und Umweltgiften zugesetzt.
Im Innern fand dieser Eindruck zu Liliths Erstaunen jedoch keine Fortsetzung.
Allein Max Beaderstadts privates Parkdeck, unterirdisch gelegen, war groß und modern genug, um einer mittelständischen Firma als Sitz zu dienen! Und die hier geparkte Fahrzeugflotte genügte, um die Garagen der gesamten High Society von Sydney zu füllen. Jeder einzelne Wagen mußte mehr gekostet haben, als einer Durchschnittsfamilie jährlich an Einkommen zur Verfügung stand.
Fitzpatrick McNee öffnete den Schlag und bedeutete Lilith höflich, aus dem Fond zu steigen. Sie tat es langsam, weil ihr Blick unentwegt hierhin und dorthin eilte, denn überall gab es neue, beeindruckende Details zu entdecken.
Schon diese Garage war elektronisch abgesichert wie eine Festung. Zumindest glaubte Lilith, daß die diversen elektronischen Anlagen, die sie sah, diesem Zwecke dienten.
Wortlos forderte McNee sie auf, ihm zu folgen. Nach ihm trat sie in die Liftkabine, deren Tür zuvor in den holzvertäfelten Wänden kaum aufgefallen war.
McNee aktivierte mittels Codecard und Handabdruck die Schalttafel und drückte dann eine der Tasten, die einander glichen und nicht gekennzeichnet waren. Lilith sah nur, daß es einer der Knöpfe im mittleren Teil der Tafel war, obwohl sie erwartet hätte, daß McNee den obersten bediente. Schließlich ging sie davon aus, daß Beader-stadt ganz oben in diesem Gebäude residierte.
Was auch der Fall war, wie Lilith feststellte, als die Tür lautlos wieder aufglitt. Daß die Kabine sich bewegt hatte, war ihr nicht ein-mal bewußt geworden - keine Geräusche, nicht die geringste Erschütterung. Wie auf Wolken waren sie hinaufgefahren .
... und einen Moment lang war Lilith felsenfest davon überzeugt, daß sie im Himmel gelandet waren! Im Freien, hoch über den Dächern der Stadt! Ein Schritt aus der Kabine, und man mußte ins Nichts stürzen!
Ihren Irrtum erkannte Lilith erst, als Fitzpatrick McNee diesen Schritt tat - und nicht fiel. Weil er auf entspiegeltem Sicherheitsglas stand. Aus dem gleichen Material waren auch die Wände gefertigt. Der kleine Raum, der jenseits der Lifttür lag, mußte wie ein Adlerhorst an einer Seite des Beaderstadt-Towers kleben.
»Hübsch, nicht?« lächelte McNee und machte gleichzeitig eine einladende Bewegung, ihm weiter zu folgen.
»Für Schwindelfreie, sicher«, meinte Lilith.
»Ich bin sicher, daß Sie es sind.« Ein amüsiert-wissender Unterton schwang in McNees Stimme mit.
Ein gläserner Gang führte um den Liftaufbau herum und mündete in die obere Etage des Gebäudes.
Wieder geriet Lilith ins Staunen. Denn um sie herum beherrschte nicht High-Tech, nicht allermodernste Elektronik das Bild, eher fühlte sich Lilith in ein höchstherrschaftliches Anwesen im westeuropäischen Stil versetzt, wie in ein Märchenschloß geradezu!
Prunk herrschte vor, ohne die Grenze zum Kitsch zu überschreiten. Edelste Hölzer, teuerste Teppiche überall, Gold und Marmor. Werke alter Meister, zweifelsohne samt und sonders Originale.
Und dies war noch nicht einmal das Allerheiligste von Max Bea-derstadt!
Dorthin wurde Lilith jetzt von Fitzpatrick McNee geführt.
Eine Tür, die keine war, »öffnete« sich - tatsächlich war es eine ho-lografische Projektion, die auf irgendeinen Impuls hin erlosch.
McNee ließ Lilith den Vortritt - und die fürchtete zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit, abzustürzen!
Hinter der »Tür« schien der Fußboden einfach aufzuhören. Die Wände fielen meterweit ab, gut und gerne drei Stockwerke tief. Und diese waren über und über bedeckt mit . Büchern.
Lilith zweifelte nicht daran, daß sie sich in der größten Bibliothek der Welt befand! Und aus einem unbestimmbaren Gefühl heraus ebenso
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