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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Leben lang hinter seinem Gott her. Aber ich glaube, er sucht einfach nach einem Weg, wie er wieder zurück in den Schoß seiner Mami kriechen kann.«
    »Wie scheußlich zynisch, so was zu sagen.«
    »Aber stimmt es denn nicht?« Sundira bettete den Kopf in Lawlers Schoß. »Was hältst du denn davon? Ergibt irgendwas von seinem mathematischen Hokuspokus irgendeinen Sinn für dich? Oder seine Theologie? Das Paradies? Eine Insel der Heiligen Geister?«
    Er strich ihr über das dichte dunkle Haar. Die Wochen und Monate der Reise hatten es gröber werden lassen, und es sah brüchig und kraus aus, war aber noch immer wunderschön.
    »Teilweise schon. Jedenfalls begreife ich seine Metaphorik. Aber es ist bedeutungslos, verstehst du? Für mich. Meinetwegen soll es eine Unendlichkeit von klar abgestuften Schichten von Göttern im Universum geben, und jeder davon genau sechzehnmal mehr Augen haben als die im Rang unter ihm, und Quillan könnte mir den absoluten unwiderlegbaren Beweis für die tatsächliche Existenz des ganzen höchst raffinierten Zaubers liefern, und es würde mir noch immer nichts bedeuten. Ich lebe in dieser Welt - und nur hier -, und hier gibt es keine Götter. Und was möglicherweise in höheren Rängen passiert, falls es die gibt, dann kratzt mich das nicht.«
    »Das bedeutet aber nicht, daß es keine höheren Ränge gibt.«
    »Nein. Da hast du wahrscheinlich recht. Aber wer kann das schon wissen? Der alte Seebär, der uns als erster von dem Land über den Wassern berichtet hat, der hatte auch ein Märchen, eine wilde Geschichte von einer großen Stadt unter der See, dicht an der Küste, die von Super-Sassen bewohnt war. Nun, das könnte ich ebenso leicht glauben, nehme ich an, wie Quillans theologisches Potpourri. Aber tatsächlich glaube ich gar nichts davon. Kann einfach nicht. Für mich ist die eine Vorstellung ebenso unsinnig wie die andere.«
    Sie bog den Kopf zu ihm hoch und blickte ihn an. »Aber nehmen wir doch nur mal hypothetisch an, es gibt wirklich in der Nähe von diesem ‚Antlitz’ eine unterseeische Stadt, und dort lebt wirklich eine besondere Art von Sassen. Wenn das so wäre, dann würde sich damit erklären, warum die uns bekannten Sassen dieses ‚Antlitz’ als eine heilige Insel ansehen und sich davor fürchten, sie zu betreten oder auch nur in ihre Nähe zu gehen. Und wenn das nun götter-ähnliche Wesen sind, die dort wohnen?«
    »Warten wir doch ab und sehen, was dort ist, wenn wir dort sind, dann gebe ich dir darauf eine Antwort, gut so?«
    »Ja, gut so«, sagte Sundira.
    UM DIE MITTE der Nacht fand sich Lawler plötzlich hellwach, und es war jene Art von Wachheit, die mit Gewißheit bis zur Dämmerung anhalten würde. Er richtete sich auf, rieb sich die schmerzende Stirn und hatte auf einmal das Gefühl, daß jemand ihm den Schädel aufgeklappt habe, während er schlief, und ihn mit einer Million blitzender dünner, glühender Drähtchen vollstopfte, die nun mit jedem seiner Atemzüge sich gegenläufig aneinander rieben.
    Außerdem war da jemand in seiner Kabine. Im schwachen Sternenlicht, das durch das eine Bullauge drang, erblickte er vor der Wand eine große breitschultrige Gestalt, die ihn still zu betrachten schien. Kinverson? Nein, nicht ganz wuchtig genug für Kinverson, und wozu sollte auch Kinverson bei ihm mitten in der Nacht in die Kabine kommen? Aber kein anderer Mann an Bord war auch nur annähernd so groß.
    »Wer ist da?« fragte Lawler.
    »Erkennst du mich denn nicht, Valben?« Eine dunkle Stimme, wundervoll ruhig und selbstsicher.
    »Wer bist du?«
    »Schau nur genau her, Junge.« Der Eindringling drehte sich zur Seite, so daß sein Profil ins Licht kam. Lawler erblickte ein kräftiges Kinn mit einem dichten schwarzen Krausbart, eine gerade Herrschernase. Vom Bart abgesehen, hätte es sein eigenes Gesicht sein können. Nein, die Augen waren anders. In ihnen lag ein starkes Leuchten, und der Ausdruck darin war zugleich strenger und mitleidvoller, als dies bei Lawler der Fall war. Er kannte diesen Ausdruck. Ein Schaudern lief ihm über den Rücken.
    »Ich hab gedacht, ich bin wach«, sagte er ruhig. »Aber jetzt merke ich, daß ich noch immer träume. Hallo, Vater. Schön, dich mal wieder zu sehen. Es ist schon so lang her.«
    »Ach ja? Nicht für mich.« Der große Mann trat ein paar Schritte auf ihn zu. In der engen Kabine brachte ihn das fast an die Kante der Koje. Er trug ein dunkles altmodisches zerknittertes Oberkleid, an das Lawler sich gut erinnerte.

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