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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sehr still. Aller Augen waren auf ihn gerichtet. Sie erwarteten von ihm ‚die Lösung’. Ein Wunder, irgendeine Hoffnung oder die Aussicht auf eine Gnadenfrist. Sie rechneten damit, daß er sie ihnen geben werde. Er, eine Stütze der Gemeinde, Sprößling eines berühmten Gründervaters, der getreue verläßliche Inseldoktor, der den Körper eines jeden besser kannte als der selbst, der kluge kühle Denker, der hochgeschätzte Erteiler scharfsinnigen Rats...
    Er blickte sie alle an, von einem zur anderen, ehe er zu sprechen begann.
    »Damis, Nicko, Nimber, es tut mir leid. Aber ich glaube, das ganze Gerede von Widerstand führt uns zu keiner brauchbaren Entscheidung. Wir müssen uns damit abfinden, daß dies keine gangbare Alternative ist.« Aus der Ecke der Kriegspartei kam sofort ein Murren. Er brachte es mit einem kalten starren Blick zum Schweigen. »Ein Kampf gegen die Gillies, das wäre, als wollte man versuchen, die See leerzutrinken. Wir haben keine Waffen. Uns stehen bestenfalls vielleicht vierzig körperlich taugliche Kämpfer zur Verfügung - gegen Hunderte von ihnen. Die Idee ist es nicht einmal wert, daß man darüber nachdenkt.« Die Stille wurde eisig. Er merkte aber, wie seine ruhigen Worte zu wirken begannen: Blicke wurden getauscht, Köpfe begannen zu nicken. Er wandte sich direkt an Lis Nikiaus: »Lis, die Gillies bluffen nicht, und Nid hat keine Chance, sie umzustimmen. Sie werden ihren Ausweisungsbefehl nicht widerrufen. Nid hat mit ihnen geredet, und ich selber ebenfalls. Und du weißt das. Und wenn einer von euch glaubt, die Gillies ändern ihre Meinung, dann ist er ein Traumtänzer.«
    Wie ernst, wie düster sie auf einmal alle aussahen! Die Sweyners, Dag Tharp, ein Grüppchen Thalheims, die Sawtelles. Sidero Volkin mit seiner Frau Elka. Dann Handers, Martin Yanez. Der junge Jose Yanez. Lis. Leo Martello. Pilya Braun. Leynila Stayvol. Sundira Thane. Er kannte sie alle so gut, alle, bis auf wenige Ausnahmen. Sie waren seine Familie, ganz wie er in der versoffenen Nacht zu Delagard gesagt hatte. Ja, ja, es stimmte wirklich. Alle auf dieser Insel.
    »Freunde«, sagte er, »wir sehen besser den Tatsachen ins Auge. Mir gefällt das Ganze ebensowenig wie euch, aber uns bleibt nichts anderes übrig. Die Gillies fordern uns auf zu verschwinden? Dann müssen wir eben. Es ist ihre Insel. Sie sind in der Überzahl, und sie haben die materielle Gewalt. Und wir, wir werden uns daran gewöhnen, bald irgendwo anders zu leben, und damit hat sich’s. Ich wollte, ich könnte euch irgendwas Erfreulicheres anbieten, aber das kann ich nicht. Niemand kann das. Keiner!«
    Er machte sich auf ein paar heftige Einsprüche von Thalheim oder Tanamind oder Damis Sawtelle gefaßt. Doch die hatten auf einmal nichts weiter zu sagen. Und es gab schließlich auch nichts, was jemand hätte dagegen sagen können. Das ganze Getöse von bewaffnetem Widerstand war nichts weiter gewesen als ein Pfeifen gegen den Wind. Die Versammlung endete ohne Beschlußfassung. Es blieb ihnen keine andere Wahl, als sich zu fügen. Alle hatten es jetzt erkannt.
    LAWLER STAND AN DER KAIMAUER zwischen Delagards Werft und dem Kraftwerk der Gillies; es war ein Spätnachmittag in der zweiten Woche nach dem Ultimatum, und er blickte auf die sich verändernden Farben in der Bucht hinaus, als drunten Sundira Thane vorbeigeschwommen kam. Zwischen zwei Schlägen hob sie kurz den Kopf und nickte Lawler zu. Er grüßte zurück und winkte. Ihre langen schlanken Beine blitzten in einem Scherenschlag kurz auf, und sie schoß vorwärts, während sich ihr Oberkörper aus dem Wasser hob, um dann plötzlich und rasch in einem Bogen unterzutauchen. Den Bruchteil einer Sekunde lang sah Lawler Sundiras weiße knabenhafte Pobacken über dem Wasser blitzen, dann zog sie rasch dicht unter der Oberfläche dahin, ein schlanker brauner, nackter Wassergeist, der in steten kraftvollen Zügen von der Küste fortschwamm. Lawler folgte ihr mit den Augen, bis er sie nicht mehr sehen konnte. Sie schwimmt wie ein Gillie, dachte er. Sie war seiner Schätzung nach drei, vier Minuten lang nicht zum Atemholen aufgetaucht. Brauchte sie denn gar nicht zu atmen?
    Mireyl war ebenfalls eine so gute Schwimmerin gewesen.
    Er verzog das Gesicht. Es bestürzte ihn, daß die Erinnerung an seine lang entschwundene eheliche Partnerin auf einmal so plötzlich und derart ungerufen aus der Vergangenheit auftauchen konnte. Er hatte ewig nicht mehr an Mireyl gedacht. Dann aber fiel ihm ein, daß er

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