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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Augen zu setzen, sie in allem, was die Seele erhebt und das Leben verschönert, mit der Poesie und den schönen Künsten zu verweben. Das Gegentheil thun, hieße dem Beispiele jener Kinder folgen, die sich im Vaterhause immer ernst und feierlich-finster betragen zu müssen glauben. Religion ist in Allem, was uns auf eine uneigennützige edle Weise rührt; in unsern Herzen fließen Poesie, Liebe, Natur und Gottheit zusammen, trotz aller Bemühung, sie zu trennen; und wollte man dem Genie untersagen, alle diese Saiten zugleich zu berühren und erklingen zu lassen, es würde nie eine vollständige Seelenharmonie zu Stande kommen.
    Die Königin Maria, welche Frankreich in ihrem Glanze, und England so tief im Unglück sah, ist der Gegenstand von mehr als tausend Gedichten gewesen, die ihre Reize und ihre Leiden besangen. Die Geschichte hat sie als leichtsinnig geschildert. Schiller giebt ihrem Charakter einen Anstrich von Ernst, und der Augenblick, in welchem er sie darstellt, rechtfertigt diese Veränderung zur Genüge. Eine zwanzigjährige Gefangenschaft, oder überhaupt nur zwanzig Lebensjahre, sie mögen verflossen seyn, wie sie wollen, sind fast immer für den Menschen eine strenge Zuchtlehre.
    Der Abschied Maria's vom Grafen Leicester ist in meinen Augen eine der schönsten Zusammenstellungen auf der Bühne. Der Moment ist nicht ohne Süßigkeit für Marien, sie fühlt Mitleiden mit dem Grafen, so strafbar er ist; sie fühlt den Werth der Erinnerung, den sie in ihm zurückläßt, und diese Rache des Herzens ist erlaubt. Im Augenblicke wo sie stirbt, weil er sie nicht retten wollen, wiederholt sie ihm ihre Liebe; kann uns in der furchtbaren Stunde der Trennung, die der Tod über uns verhängt, etwas trösten, so sind es die letzten feierlichen Worte des Sterbenden; denn in diese mischt sich keine Absicht, keine Täuschung; die reinste Wahrheit entflieht seiner Brust mit dem Leben.
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Neunzehntes Capitel. Die Jungfrau von Orleans. Die Braut von Messina.
    In einem reizenden Gedichte wirft Schiller den Franzosen ihre Undankbarkeit gegen Johanna von Arc vor. Eine der schönsten Epochen in der Geschichte, der Befreiung Frankreichs und Carls VII. vom fremden Joche, ist noch von keiner Feder beschrieben worden, die es verdiente, das Andenken an Voltaire's Faunengedicht zu vertilgen; ein Ausländer ist es, der es versucht hat, den Ruhm einer französischen Heldin wieder herzustellen, einer Heldin, deren unglückliches Schicksal für sie einnehmen würde, wenn auch ihre Thaten nicht zum gerechten Enthusiasmus für sie aufriefen. Shakespear, ein Engländer, mußte Johanna von Arc mit Partheilichkeit beurtheilen; gleichwohl stellt er sie in seinem historischen Stücke, Heinrich VI. als ein anfangs vom Himmel begeistertes, dann vom Dämon des Ehrgeizes verführtes Mädchen dar. Die Franzosen allein haben es zugegeben, daß ihr Andenken geschmäht würde; ein neuer Beweis, wie schwer diese Nation an dem Unrecht trägt, dem Spott nicht widerstehen zu können, wenn auf eine witzige Weise dazu gereizt wird. Doch giebt es so viel Raum in der Welt, sowohl zum Ernst als zur Lustigkeit, daß man sichs wohl zum Gesetz machen sollte, mit dem Ehrwürdigen nie seinen Spott zu treiben, ohne deswegen der Freiheit zu lachen zu entsagen.
    Die Jungfrau von Orleans ist ein zu gleicher Zeit historischer und romantischer Stoff. Daher hat Schiller sein Stück mit lyrischen Fragmenten durchwebt, und diese Abwechslung ist beim Lesen, und selbst in der Darstellung, von großer Schönheit. Wir können uns allenfalls nur aus dem Monolog des Polyeuct, oder aus Athalia's und Esther's Chören, einen Begriff von der Wirkung des Lyrischen auf der Bühne machen. Die dramatische Poesie ist von der Situation, die sie zu schildern hat, unzertrennlich; sie ist eine in Handlung gesetzte Erzählung; sie stellt den Menschen im Kampfe mit dem Schicksal auf. Die lyrische Poesie ist religiösen Stoffen vorzüglich angemessen; sie erhebt das Gemüth gen Himmel; sie drückt eine namenlose, aber erhabene Hingebung aus, die uns oft mitten im Gewühl der Leidenschaften ergreift, uns von aller persönlichen Unruhe befreit, um uns, auf einen Augenblick, des göttlichen Friedens theilhaftig zu machen.
    Freilich muß der Dichter dahin sehen, daß der Gang und die steigende Kraft des Interesse von lyrischen Unterbrechungen nicht leide. Da  aber die dramatische Kunst keineswegs zum Zweck hat, uns zu belehren, ob der Held des Stücks stirbt oder ob er

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