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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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nicht die Politik; ihm ist die Tyrannei nur dann gegenwärtig, wenn sie seinen Hausfrieden stört; er stößt sie mit kräftigem Arme zurück, wenn sie ihn erreicht; er zieht sie, richtet sie vor seinem eigenen Richterstuhl; aber er ist kein Mitverschworner.
    Arnold von Melchthal, einer der Verbündeten, hält sich bei Walther versteckt; er hat aus dem väterlichen Hause flüchten müssen, um Geßlers Trabanten zu entfliehen; er hat seinen alten Vater allein gelassen; ängstigt sich um ihn, zieht Nachrichten ein, und erfährt – daß, um den Greis dafür zu strafen, daß sich sein Sohn dem Verhaftsbefehle entzog, die Wüthriche ihm mit einem glühenden Eisen die Augen ausgebrannt haben. Nichts kommt seiner Wuth, seiner Verzweiflung gleich! Er muß sich rächen. Er will sein Vaterland befreien; doch er will es nur, um sich an den Tyrannen zu rächen, die seinen Vater blendeten, und im Augenblick, als die drei Verbündeten den feierlichen Eid schwören, zu sterben oder Geßlers schändliches Joch zu zersprengen, ruft Arnold aus:
Blinder alter Vater!
    Du kannst den Tag der Freiheit nicht mehr schauen,
    Du sollst ihn hören. Wenn von Alp zu Alp
    Die Feuerzeichen flammend sich erheben,
    Die festen Schlösser der Tyrannen fallen, 
    In deine Hütte soll der Schweizer wallen,
    Zu deinem Ohr die Freudenkunde tragen,
    Und hell in deiner Nacht soll es dir tagen!

    Im dritten Akte ist die Haupthandlung der Geschichte und des Stücks enthalten. Geßler hat mitten auf dem Marktplatze eine Stange aufrichten und einen Hut darauf setzen lassen, mit dem Befehl, diesem Hute die Reverenz zu machen. Tell geht, vorüber, ohne den Hut zu begrüßen, nicht absichtlich, sondern aus Unachtsamkeit; denn es liegt nicht in seinem Charakter, wenigstens nicht in dem, der ihm von Schiller beigelegt ist, irgend eine politische Meinung zu äußern; scheu und unabhängig wie die Gemse auf dem Felsen, lebt er frei, ohne über das Recht nachzudenken, dem er die Freiheit verdankt. Im Augenblick, wo Tell beschuldigt wird, dem Hute die Ehrfurcht versagt zu haben, erscheint Geßler, einen Falken auf der Faust. Schon dieser Umstand ist malerisch und versetzt ins Mittelalter. Geßlers furchtbare Herrschaft sticht ungemein gegen die schweizerische Sitteneinfalt ab, und seine Tyrannei in freier Luft, eine Tyrannei, deren einsame Zeugen die Wälder und Berge sind, befremdet zwiefach.
    Man hinterbringt Geßlern Tells Weigerung, und Tell entschuldigt sich mit der Betheurung, er habe aus Unwissenheit, nicht besonnen, gefehlt. Geßler legt seinen Zorn nicht ab, besinnt sich einige Augenblicke, und spricht:
Du bist ein Meister auf der Armbrust, Tell,
    Man sagt, du nehmst es auf mit jedem Schützen.

    Tells zwölfjähriger Sohn, Walther , stolz über die Fertigkeit seines Vaters, antwortet vorschnell:

    Und das muß wahr seyn, Herr, 'nen Apfel schießt
    Der Vater dir vom Baum auf hundert Schritt.

    Gessler.
Ist das dein Knabe, Tell?
    Tell.
Ja, lieber Herr.
    Gessler.
Hast du der Kinder mehr?
    Tell.
Zwei Knaben, Herr.
    Gessler.
Und welcher ist's, den du am meisten liebst?
    Tell.
Herr, beide sind sie mir gleich liebe Kinder.
    Gessler.
Nun, Tell! Weil du den Apfel triffst vom Baume
Auf hundert Schritt, so wirst du deine Kunst
Vor mir bewähren müssen. Nimm die Armbrust –
Du hast sie gleich zur Hand – und mach dich fertig,
'nen Apfel von des Kindes Kopf zu schießen.
Doch will ich rathen, ziele gut, daß du
Den Apfel treffest auf den ersten Schuß,
Denn fehlst du ihn, so ist dein Kopf verloren.
    Tell.
Herr! welches ungeheure sinnet ihr
Mir an? Ich soll vom Haupte meines Kindes –
Nein, nein doch, lieber Herr, das kömmt euch nicht
Zu Sinn! – Verhüt's der gnäd'ge Gott! das könnt ihr
Im Ernst von einem Vater nicht begehren!
    Gessler.
Du wirst den Apfel schießen von dem Kopf
Des Knaben. Ich begehr's und will's.
    Tell.
Ich soll
Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt
Des eignen Kindes zielen? Eher sterb' ich.
    Gessler.
Du schießest, oder stirbst mit deinem Knaben.
    Tell.
Ich soll der Mörder werden meines Kindes?
Herr, ihr habt keine Kinder, wisset nicht,
Was sich bewegt in eines Vaters Herzen.
    Gessler.
Ei Tell! du bist ja plötzlich so besonnen!
Man sagte mir, daß du ein Träumer seyst,
Und dich entfernst von aller Menschen Weise.
Du liebst das Seltsame. Drum hab' ich jetzt
Ein eigen Wagstück für dich ausgesucht.
Ein andrer wohl bedächte sich. Du drückst
Die Augen zu, und greifst es herzhaft an.
    Alle Begleiter Geßlers haben Mitleiden mit Tell, versuchen

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