Ueber Deutschland
und es läßt sich begreifen. Worte, so schön sie immer seyn und klingen mögen, können unsre innere Stimmung nicht so schnell umändern, als die Musik. Luther setzte diese Kunst in Verbindung mit der Theologie, er sah sie als ein kräftiges Mittel an, religiöse Gefühle im Herzen der Menschen zu entwickeln.
Die Rolle, welche Carl V. auf dem Reichstage zu Worms spielt, ist nicht ohne Scheingepränge, folglich fehlt es ihr an wahrer Größe. Der Verfasser hat den Spanischen Stolz mit der rauhen Einfalt der Deutschen in Gegensatz stellen wollen; ohne aber in Rechnung zu bringen, daß Carl V. zu viel Genie besaß, um diesem oder jenem Lande ausschließlich anzugehören, dünkt mich, Werner hätte einen Mann von so festem Willen, nicht als einen solchen aufstellen sollen, der diesen Willen offen, und, was noch mehr sagen will, zwecklos ausspricht. Ausgesprochen, zerstiebt er, so zu sagen, in die Lüfte. Despoten haben immer durch das, was sie verschwiegen, mehr Furcht eingejagt, als durch das, was sie merken ließen.
Werner zeigt, bei seiner ungebundenen Einbildungskraft, viel Geist, viel feine Beobachtungsgabe; nur in Carls V. Rolle dünkt mich, hat er Farben aufgetragen, die nicht, wie in der Natur, nuancirt sind.
Ein schöner Moment in dem Stück ist der Zug nach der Reichstagsversammlung; einerseits sieht man die Bischöfe, die Cardinäle, den ganzen Prunk der katholischen Religion; von der andern Seite erscheinen Luther, Melanchthon, mit einigen ihrer Schüler, schwarz gekleidet, und in der Muttersprache das Lied absingend: Eine feste Burg ist unser Gott. Die äußere Pracht ist oft als ein Mittel, auf die Einbildungskraft zu wirken, angepriesen worden; zeigt sich aber das Christenthum in seiner reinen und wahren Einfalt, so trägt die Poesie der innern Seele über alle übrige den Sieg davon.
Der Act, in welchem Luther vor Carl dem Fünften und dem versammelten Reichstag sich vertheidigt, hebt mit dessen Rede an, oder vielmehr mit dem Schlusse derselben; es wird dem Dichter vorausgesetzt, Luther hat schon seine Vertheidigungsgründe entwickelt. Er schweigt nun, und man sammelt die Stimmen der Fürsten und Abgeordneten. In diesen Meinungen werden die verschiedenen Beweggründe, die die Menschen bestimmen, Furcht, Fanatismus, Ehrgeiz vollkommen charakterisirt. Einer der Stimmenden unter andern, nachdem er viel zum Besten Luthers und seiner Lehre gesagt, schließt mit den Worten:
Nun gab ich einmal dort dem Kardinal
Mein Ehrenwort, den Luther zu verdammen.
Dumm war's – es thut mir leid! – doch halten muß ichs! –
Und also werde Luther dann verbrannt!
Man kann sich nicht enthalten, im Werner die tiefe Menschenkenntniß zu bewundern; nur wünschte man, er möchte, seinen Schwärmereien entsagend, öfter auf ebener Erde stehen bleiben, um über seine dramatischen Werke seinen Beobachtungsgeist ausgießen zu können.
Luther wird von Carl V. zurückgeschickt, eine Zeitlang in der Festung Wartburg verschlossen gehalten, weil seine Freunde, an deren Spitze der Churfürst von Sachsen stand, ihn dort sicher hielten, und tritt endlich wieder in Wittenberg auf, von wo er seine Lehre über das nördliche Deutschland verbreitet hatte.
Gegen das Ende des fünften Acts, predigt er, mitten in der Nacht, in der Hauptkirche von Wittenberg, wider die alten Irrthümer, und verheißt, bald würden sie verschwinden, und dem neuen Lichte Platz machen. In diesem Augenblicke sah man, auf der Berliner Bühne, die Kerzen auf dem Altare allmählig verlöschen und die Morgenröthe durch die gothischen Fensterscheiben hereinbrechen.
Die Weihe der Kraft ist ein so lebendiges, ein Stück von solcher Abwechselung, daß man leicht begreifen kann, wie sehr es gefallen mußte; gleichwohl wird man oft von dem Hauptgegenstand durch seltsame Nebenumstände und Allegorieen abgezogen, welche einem historischen Stücke, und vorzüglich einem dramatischen Kunstwerke, keinesweges angemessen sind.
Im ersten Augenblick, wo Catharina Luthern erblickt, den sie bisher, dem Namen nach, verabscheute, ruft sie aus: «Mein Urbild!» und die heftigste Liebe tritt in ihre Seele ein. Werner ist der Meinung, es sey Prädestination in der Liebe; er meint, zwei für einander geschaffene Herzen müssen sich beim ersten Anblick erkennen und verstehen. Dieses ist eine allerliebste Lehre, für eine metaphysische Form oder für ein Madrigal; nur auf der Bühne ist sie unzulässig und unverständlich. Nichts ist seltsamer als der Ausruf: «Mein Urbild!» auf
Weitere Kostenlose Bücher