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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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spanischen und portugiesischen Poesieen in Deutschland bekannt, welche seitdem durch A. Wilh. Schlegels Uebersetzungen dahin verpflanzt worden sind. Herder hat eine Sammlung: Volkslieder betitelt, herausgegeben; und diese Sammlung enthält die Romanzen und vereinzelten Poesien, worein sich der National-Charakter und die Einbildungskraft der Völker abgedrückt hat. Hierin kann man die natürliche Poesie studiren; ich meine die, welche der Aufklärung vorangeht. Die angebaute Literatur wird in so kurzer Zeit eine gemachte, künstliche, daß es gut ist, bisweilen zu dem Ursprung aller Poesie, d. h. zu dem Eindruck der Natur auf den Menschen, ehe er das Universum und sich selbst zergliedert hatte, zurückzukehren. Die Biegsamkeit der deutschen Sprache verträgt sich vielleicht allein mit einer Uebersetzung dieser Naivetäten aus den Sprachen aller Länder, ohne welche man keinen Eindruck von den Volkspoesieen erhält. In diesen Poesieen haben die Wörter durch sich selbst eine gewisse Anmuth, welche uns rührt wie eine Blume, die wir in unserer Kindheit gesehen, oder wie eine Gesangsweise, die wir in früheren Jahren gehört haben. Und diese seltsamen Eindrücke enthalten nicht blos die Geheimnisse der Kunst, sondern selbst die der Seele, wo die Kunst sie geschöpft hat. Die Deutschen zergliedern in ihrer Literatur selbst die zarten Abstufungen, die sich dem Worte versagen, und man könnte ihnen den Vorwurf machen, daß sie es in allen Dingen darauf anlegen, das Unaussprechliche begreiflich zu machen.
    In dem vierten Theile dieses Werks werde ich von Herders Schriften über Theologie reden; Geschichte und Literatur finden sich auch darin nicht selten vereinigt. Ein Mann von Genie, der so aufrichtig war, wie Herder, mußte die Religion allen Gedanken, und alle Gedanken der Religion beimischen. Man hat gesagt: seine Schriften hätten große Aehnlichkeit mit einer belebten Unterhaltung. Wahr ist, daß er seinen Werken nicht die methodische Form gegeben hat, die man den Büchern in der Regel giebt. In den Säulengängen und in den Gärten der Akademie erklärte Plato seinen Schülern das System der intellectuellen Welt; und in Herder findet man jene edle Nachläßigkeit des Talents, die mit Ungeduld zu neuen Ideen übergeht. Ein gut construirtes Buch ist eine moderne Erfindung. Die Entdeckung der Buchdruckerei hat die Abtheilungen, die Recapitulationen und das ganze Gepränge der Logik nothwendig gemacht; die meisten philosophischen Werke der Alten sind Abhandlungen oder Gespräche, die man sich als geschriebene Unterhaltungen denkt. Auch Montaigne überließ sich einem natürlichen Gedankenlaufe. Es ist wahr, zu einem solchen Sich gehen lassen gehört eine entschiedene Ueberlegenheit; die Ordnung ergänzt den Reichthum, und wenn die Mittelmäßigkeit sich dem Zufall überlassen wollte, so würde sie gewöhnlich uns auf denselben Punkt zurückbringen, so daß die Mühe umsonst wäre. Aber ein Mann von Genie interessirt am meisten, wenn er zeigt, wie er ist, und wenn seine Bücher mehr improvisirt als componirt scheinen.
    Herders Unterhaltung war, wie man sagt, bewundernswerth; und in seinen Werken fühlt man, daß dem so seyn mußte. Auch das fühlt man darin, daß es, wie alle seine Freunde bezeugen, keinen besseren Mann gab. Wenn das literärische Talent denen, die uns noch nicht kennen, Zuneigung für uns einflößen kann, so ist es von allen Geschenken des Himmels das, wovon wir die süßesten Früchte auf Erden einsammlen.
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Ein und Dreißigstes Capitel. Von den literarischen Reichthümern Deutschlands und von seinen berühmtesten Kunstrichtern, Aug. Wilh. und Friedrich Schlegel.
    Ich habe in diesem Gemälde der deutschen Literatur die vorzüglichsten Werke zu bezeichnen mich bemüht; allein ich habe darauf Verzicht leisten müssen, eine große Zahl von Männern zu nennen, deren minder bekannte Schriften bei weitem mehr zur Belehrung Derer, die sie lesen, als zum Ruhme ihrer Verfasser dienen.
    Die Abhandlungen über die schönen Künste, die Werke über Gelehrsamkeit und Philosophie gehören zwar nicht unmittelbar der Literatur an, müssen aber gleichwohl zu ihren Reichthümern gerechnet werden. Es giebt in Deutschland Schätze von Ideen und Kenntnissen, welche die übrigen Nationen Europa's in sehr langer Zeit nicht erschöpfen werden.
    Auch das poetische Genie, wenn der Himmel uns dasselbe zurückgiebt, könnte einen glücklichen Antrieb von der Liebe für die Natur, für die Künste und

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