Ueber Deutschland
einen großen Ruf erworben hatte, hat er für Calderon eine eben so lebhafte Liebe gefaßt, wiewohl sie immer von der verschieden ist, welche Shakespear einflößen kann. Denn in eben dem Maaße, worin der englische Schriftsteller tief und düster in der Kenntniß des Menschen Herzens ist, in eben diesem Maaße überläßt sich der spanische Dichter mit Sanftheit und Zauber der Schönheit des Lebens, der Aufrichtigkeit des Glaubens, und dem vollen Glanze der Tugenden, welcher die Sonne des Gemüths verherrlicht.
Ich befand mich zu Wien, als Schlegel daselbst seine Vorlesungen hielt. Nur Geist und Belehrung erwartete ich von Vorlesungen, welche den Unterricht zum Zweck hatten; ich war erstaunt, einen Kunstrichter zu hören, der beredt war, wie ein Redner, und, weit davon entfernt, sich bei Mängeln aufzuhalten, die uns eine Nahrung für die eifersüchtige Mittelmäßigkeit sind, es nur darauf anlegte, das schöpferische Genie wieder zu beleben.
Die spanische Literatur ist wenig gekannt. Gerade sie war der Gegenstand einer der schönsten Vorlesungen, denen ich beiwohnte. A. W. Schlegel malte uns diese ritterliche Nation, deren Dichter Krieger, und deren Krieger Dichter waren. Er führte den Grafen de Ercilla an, der seine Araucana bald unter einem Zelte, bald auf den Wellen des Oceans, bald am Fuße der Cordilleras schrieb, während er empörte Wilden bekriegte. Garcilaso, einer von den Abkömmlingen der Incas, schrieb seine Liebesgedichte auf den Trümmern von Karthago, und starb bei dem Sturm auf Tunis. [Hier ist ein Irrthum, welcher um so mehr berichtigt werden muß, weil er sonst einem Gelehrten zur Last fallen würde, dessen Genauigkeit ganz Deutschland kennt. – Garcilaso (de la Vega) war nicht der Abkömmling der Incas, sondern der Sohn eines Vaters gleichen Namens, der unter der Regierung Ferdinands des Fünften Staatsrath und Groß-Compthur des Santiago-Ordens war. Garcilaso der Dichter wurde 1503 geboren, und starb 1536. Er lebte folglich in einer Periode, wo man in Spanien schwerlich viel von den Incas wußte. Ob er auf den Trümmern von Karthago gedichtet habe, mag dahin gestellt bleiben; gewiß aber ist, daß er nicht bei dem Sturm auf Tunis blieb. Er wurde in einem Alter von 32 Jahren auf dem Rückzuge von Marseille schwer verwundet, und starb zu Nizza, von wo sein Leichnam, zwei Jahre nach seinem Tode, nach Toledo gebracht wurde. Den Feldzug nach Tunis hat er blos mitgemacht. (Anm. d. Uebers.)]
Cervantes wurde in der Schlacht von Lepanto schwer verwundet; Lopez de Vega entrann, wie durch ein Wunder, dem Untergange der unüberwindlichen Armada, und Calderon diente als unerschrockener Soldat in den Kriegen von Flandern und Italien.
Religion und Krieg vermischten sich bei den Spaniern mehr, als bei jeder anderen Nation. Durch fortgesetzte Kämpfe vertrieben sie die Mauren aus ihrem Schooße; und man konnte sie als die Vorhut der europäischen Christenheit betrachten. Von den Arabern eroberten sie ihre Kirchen; ein Act ihrer Gottesverehrung war eine Trophee für ihre Waffen, und ihr triumphirender Glaube, bisweilen bis zum Fanatismus gesteigert, vermischte sich mit dem Gefühl der Ehre, und gab ihrem Charakter eine ausgezeichnete Würde. Dieser Ernst mit Einbildungskraft gemischt, diese Fröhlichkeit sogar, welche dem Ernsthaften nichts von seinen tieferen Empfindungen raubt, offenbart sich in der spanischen Literatur, die aus lauter Fictionen und Dichtungen besteht, von welchen Religion, Liebe und kriegerische Thaten der Gegenstand sind. Man hätte sagen mögen, daß um die Zeit, wo die neue Welt entdeckt wurde, die Schätze einer anderen Halbkugel den Reichthümern der Einbildungskraft eben sowohl zu Statten kamen, als denen des Staats, und daß im Gebiete der Poesie, wie in dem Gebiete Carls des Fünften, die Sonne gar nicht aufhörte, den Horizont zu erhellen.
A. W. Schlegels Zuhörer waren von diesem Gemälde tief gerührt, und die deutsche Sprache, deren er sich mit Zierlichkeit bediente, umgab die volltönenden Namen des Spanischen mit tiefen Gedanken und rührenden Ausdrücken: diese Namen, welche nicht ausgesprochen werden können, ohne daß die Einbildungskraft die Pommeranzenhaine des Königreichs Granada und die Palläste der maurischen Könige zu sehen glaubt. [A. W. Schlegel, den ich hier als den ersten Kunstrichter Deutschlands im Fache der Literatur anführe, ist Verfasser einer vor kurzem in französischer Sprache erschienenen Brochüre, welche den Titel führt: Betrachtungen über das
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