Ueber Deutschland
Werth auf die Gegenstände der Gemälde; denn sie möchten darin die Eindrücke dramatischer Scenen wiederfinden. Eben so geht es in der Musik. Empfindet man sie nur schwach, so verlangt man, daß sie sich selbst den geringsten Abstufungen der Worte mit Treue anschmiege; allein, wenn sie das Innerste des Gemüths aufregt, so ist jede Aufmerksamkeit, die ihr nicht ausschließend gewidmet wird, nur eine lästige Zerstreuung, und vorausgesetzt, daß zwischen dem Gedicht und der Musik kein Gegensatz Statt findet, überläßt man sich der Kunst, die den Sieg über alle davon tragen muß. Denn die süße Träumerei, in welche sie uns versenkt, vernichtet die Gedanken, welche die Worte ausdrücken können, und indem die Musik das Gefühl des Unendlichen in uns weckt, muß alles, was darauf abzweckt, den Gegenstand der Melodie hervorzuheben, die Wirkung derselben vermindern.
Gluck, welchen die Deutschen mit Recht zu ihren Männern von Genie rechnen, hat auf eine wunderbare Weise den Gesang den Worten anzupassen verstanden, und in mehreren seiner Opern durch den Ausdruck der Musik mit dem Dichter gewetteifert. Als Alceste für Admet zu sterben beschließt, und dieses, ganz im Stillen den Göttern dargebrachte Opfer ihrem Gemahl das Leben wieder giebt, ist der Contrast der fröhlichen Gesangsweisen, welche die Wiedergenesung des Königs feiern, und der unterdrückten Seufzer der Königin, welche ihn zu verlassen verurtheilt ist, von wahrhaft tragischer Wirkung. In der Iphigenia auf Tauris sagt Orest: Die Ruhe kehrt zurück in mein Gemüth, – und die Arie, welche er singt, drückt dieses Gefühl aus; allein die Begleitung dieser Arie ist düster und bewegt. Erstaunt über diesen Contrast, wollten die Musiker bei der Aufführung diese Begleitung mäßigen; aber Gluck ward böse und rief ihnen zu: „Kehrt euch nicht an den Orest; er sagt zwar, er sey ruhig, aber er lügt.“ Indem Poussin die Tänze der Schäferinnen malt, setzt er in die Landschaft den Grabstein eines jungen Mädchens mit der Inschrift: Auch ich war in Arkadien. In dieser Manier, die Künste aufzufassen, ist, wie in Glucks scharfsinnigen Combinationen etwas Gedachtes. Aber die Künste sind über den Gedanken erhaben; ihre Sprache sind die Farben, oder die Formen, oder die Töne. Könnte man sich die Eindrücke vorstellen, deren unsere Seele vor ihrer Bekanntschaft mit dem Worte empfänglich seyn muß, so würde man die Wirkung der Malerei und der Musik besser begreifen.
Von allen Musikern hat vielleicht Mozart in dem Talent, die Musik mit Worten zu vermählen, den meisten Verstand gezeigt. In seinen Opern, und besonders in dem Don Juan hat er alle Abstufungen dramatischer Scenen fühlbar gemacht; der Gesang ist voll Fröhlichkeit, während die buntscheckige und starke Begleitung den phantastischen und düsteren Gegenstand des Stücks anzudeuten scheint. Zwar gewährt auch diese geistige Vermählung des Musikers mit dem Dichter ein Vergnügen; allein es erwächst aus der Reflexion und gehört nicht in den Zauberkreis der Künste.
Ich habe zu Wien die Schöpfung von Haydn gehört. Vierhundert Musiker führten sie zusammen auf: ein würdiges Fest zur Ehre des Werks, welches dadurch gefeiert wurde. Aber auch Haydn schadete bisweilen seinem Talent durch seinen Verstand. Bei den Worten des Textes: Gott sprach, es werde Licht, und es ward Licht, spielten die Instrumente anfangs leise, so daß sie kaum vernehmbar waren, dann aber brachen sie plötzlich mit einem fürchterlichen Lärmen los, welcher den Glanz des Tages anzeigen sollte. Auch sagte ein Mann von Geist: „bei der Erscheinung des Lichts müsse man sich die Ohren zuhalten.“
In mehreren anderen Stellen der Schöpfung kann dieser gesuchte Verstand getadelt werden. Die Musik ist schleppend, als die Schlangen geschaffen werden; allein sie wird wieder glänzend bei dem Gesange der Vögel. Noch häufiger sind dergleichen Anspielungen in Haydn's Jahreszeiten. Wirkungen, auf solche Weise vorbereitet, sind Concettis in der Musik. Unstreitig können gewisse Combinationen der Harmonie an die Wunder der Natur erinnern; aber dergleichen Analogieen stehen in keiner Verbindung mit der Nachahmung, die immer nur ein gemachtes Spiel ist. Die wirklichen Ähnlichkeiten der schönen Künste unter einander und der schönen Künste mit der Natur, hängen ab von den Gefühlen derselben Gattung, welche sie in unserem Gemüth durch verschiedene Mittel anregen.
Nachahmung und Ausdruck sind in den schönen Künsten sehr von
Weitere Kostenlose Bücher