Ueber Deutschland
Antwort. – Dieser Ausspruch war voll tiefen Sinnes; er schließt in sich alle Bewegungsgründe, um derentwillen man sich für die Philosophie interessiren kann.
Man hat sich gewöhnt, sie als die Zerstörerin alles Herzensglaubens zu betrachten. Wäre sie dies wirklich, so würde sie auch die Feindin der Menschen seyn. Aber so verhält es sich weder mit der Lehre Platons, noch mit der der Deutschen. Sie betrachten das Gefühl als eine Thatsache, als eine ursprüngliche Thatsache des Gemüths, und geben der philosophirenden Vernunft keine andere Bestimmung, als die Bedeutung dieser Thatsache zu erforschen.
Das Räthsel der Welt ist der Gegenstand vieles vergeblichen Nachsinnens für eine große Zahl von Männern gewesen, die der Bewunderung nicht unwürdig waren, weil sie sich zu etwas Besserem berufen fühlten, als diese Welt ist; Geister höherer Art schwärmen unaufhörlich um den Abgrund endloser Gedanken. Dennoch muß man sich davon wegwenden; denn der Geist mattet sich vergeblich in diesen Anstrengungen zur Bestürmung des Himmels ab.
Der Ursprung des Gedankens hat alle wahre Philosophen beschäftigt. Giebt es zwei Naturen im Menschen? Und wenn es nur eine giebt; ist es der Geist oder die Materie? Giebt es deren zwei, stammen alsdann die Ideen von den Sinnen her, oder entspringen sie aus unserer Seele, oder sind sie das zusammengesetzte Produkt der Thätigkeit äußerer Gegenstände auf uns hin, und der inneren Fähigkeiten, die wir besitzen?
An diese drei Fragen, welche zu allen Zeiten die philosophische Welt entzweiet haben, ist die Forschung gebunden, welche die Tugend unmittelbar berührt, nehmlich, ob Verhängniß oder freier Wille die Beschlüsse des Menschen bestimmt.
Bei den Alten rührte das Verhängniß von dem Willen der Götter her; die Neueren schreiben es dem Laufe der Dinge zu. Bei den Alten hob das Verhängniß den freien Willen; denn der Wille des Menschen kämpfte an gegen die Schickung und der moralische Widerstand war unüberwindlich. Das Verhängniß der Neueren hingegen zerstört nothwendig den Glauben an den freien Willen; denn wenn die Umstände uns zu dem machen, was wir sind: so können wir uns ihrem Uebergewicht nicht entgegen stämmen; wenn die äußerlichen Gegenstände die Ursache alles dessen sind, was in unserer Seele vorgeht – welcher unabhängiger Gedanke sollte uns dann von ihrem Einflusse befreien? Das vom Himmel kommende Verhängniß erfüllte die Seele mit einem heiligen Schrecken, während das Verhängniß, das uns an die Erde knüpft, uns nur herabwürdigt. „Aber wozu alle diese Fragen?“ wird man sagen. Wozu alles Andere, was diese Gegenstände nicht angeht? könnte man antworten. Denn was ist wichtiger für den Menschen, als zu wissen, ob er wirklich die Verantwortlichkeit für seine Handlungen trägt, und in welchem Verhältnisse die Macht seines Willens mit der Herrschaft steht, welche die Umstände über denselben ausüben? Was würde das Gewissen seyn, wenn es seine Entstehung unseren Gewohnheiten verdankte, wenn es in sich selbst nichts weiter wäre, als das Erzeugniß der Farben, der Töne, der Düfte, kurz aller der Umstände, womit wir von Kindesbeinen an umgeben gewesen sind? '
Die Metaphysik, welche darauf ausgeht, die Quelle unserer Ideen zu entdecken, hat in ihren Folgen den mächtigsten Einfluß auf die Natur und die Stärke unseres Willens. Sie ist zugleich die höchste und die nothwendigste unserer Erkenntnisse, und die Anhänger der höchsten Nützlichkeit, der moralischen Nützlichkeit, dürfen sie nicht verschmähen.
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Zweites Capitel. Von der englischen Philosophie.
Alles scheint in uns das Daseyn einer doppelten Natur zu beurkunden. Der Einfluß der Sinne und der Einfluß des Gemüths theilen sich in unser Wesen, und je nachdem die Philosophie sich nach dem einen oder nach dem anderen hinneigt, sind die Meinungen und die Gefühle in jeder Hinsicht schnurstracks entgegengesetzt. Man kann das Gebiet der Sinne und das des Gedankens noch auf eine andere Weise bezeichnen. In dem Menschen ist etwas, das mit dem irdischen Daseyn vergeht, und etwas, das es überdauern kann; was wir durch die Erfahrung erwerben, ist das Endliche, was der moralische Instinkt uns einflößt, das Unendliche. Wie man sich aber auch ausdrücken möge, so muß man immer eingestehen, daß es zwei verschiedene Lebens-Principe in der dem Tode unterworfenen und zur Unsterblichkeit bestimmten Kreatur gebe.
Die Tendenz zum Spiritualismus ist bei
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