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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Bildhauerei, als auf Mahlerei; auch bestimmte er die Mahler, in ihre Werke mehr  kolorirte Statuen aufzunehmen, als allenthalben die lebendige Natur fühlbar zu machen. Indeß verliert die Mahlerei durch Annäherung an die Bildhauerei den besten Theil ihres Zaubers; denn die Täuschung, welche der einen nothwendig ist, steht den unbeweglichen und ausgesprochenen Formen der anderen entgegen. Nehmen die Mahler ausschließend die antike Schönheit zum Modell, welche sie nur aus Statuen kennen: so begegnet ihnen, was man der klassischen Literatur der Modernen zum Vorwurf macht, nähmlich, daß sie die Wirkungen der Kunst nicht in ihrer eigenen Begeisterung schöpfen.
    Mengs, ein deutscher Mahler, hat sich in seinen Schriften über die Kunst als einen philosophischen Denker gezeigt. Als Winkelmanns Freund, theilte er dessen Bewunderung für die Antike. Gleichwohl hat er sehr oft die Fehler vermieden, welche man den, durch Winkelmanns Schriften gebildeten Mahlern zum Vorwurf machen kann: Künstlern, die sich größten Theils auf die Nachbildung der alten Meisterstücke beschränken. Mengs hatte sich auch den Corregio zum Muster genommen, d. h. einen Meister, der sich in seinen Gemählden von der Gattung der Bildhauerei entfernt, und in seinem Helldunkel die unbestimmten und köstlichen Eindrücke der Melodie zurückruft.
    Bis zu dem Augenblick, wo die neue Schule ihren Einfluß auch auf die schönen Künste erstreckte, hatten die deutschen Künstler beinahe ohne Ausnahme Winkelmanns Meinungen angenommen. Göthe, dessen universellen Geist wir allenthalben wiederfinden, hat in seinen Werken gezeigt, daß er den wahren Genius der Mahlerei weit besser begriff, als Winkelmann. Doch, wie dieser, überzeugt, daß die Gegenstände der christlichen Welt der Kunst nicht günstig sind, sucht er den Enthusiasmus für die Mythologie der Alten wieder zu erwecken; und dies ist ein Versuch, der nie gelingen kann. Vielleicht sind wir, in Hinsicht der schönen Künste, gleich unfähig Christen oder Heiden zu seyn; allein, wenn die schöpferische Einbildungskraft zu irgend einer Zeit in dem Menschen wieder aufleben sollte, so wird sie sich nicht durch Nachahmung der Alten fühlbar machen.
    Die neue Schule behauptet in den schönen Künsten dasselbe System wie in der Literatur: sie erklärt nämlich das Christenthum ganz laut für die Quelle des Genies der Modernen. Die Schriftsteller dieser Schule charakterisiren auch auf eine ganz neue Weise das, was in der gothischen Baukunst zu den religiösen Gefühlen der Christen paßt. Daraus folgt nun freilich nicht, daß die Modernen nur gothische Kirchen bauen können und dürfen; weder Kunst noch Natur wiederholen sich. Das Einzige, worauf es ankommt bei dem gegenwärtigen Schweigen des Talents, ist, die Verachtung zu beseitigen, die man auf alle Schöpfungen des Mittelalters hat werfen wollen. Unstreitig brauchen wir sie nicht anzunehmen: aber nichts schadet der Entwickelung des Genies mehr, als alles Originelle als barbarisch zu betrachten.
    Ich habe, als ich von Deutschland redete, bereits die Bemerkung gemacht, daß es daselbst wenig merkwürdige moderne Gebäude gebe. Im Norden von Deutschland erblickt man im Ganzen nur gothische Denkmäler, und die Natur und die Poesie unterstützen die Stimmungen des Gemüths, welchen aus diesen Denkmälern hervorgehen. Ein deutscher Schriftsteller, Namens Görres, hat eine interessante Beschreibung von einer alten Kirche geliefert. Man sieht, sagt er, Figuren von Rittern, welche mit gefalteten Händen auf einem Grabmal knieen. Oben sind einige wunderbare Seltenheiten Asiens angebracht, welche nur da zu seyn scheinen, um, als stumme Zeugen, die Reise des Verstorbenen nach dem gelobten Lande zu bestätigen. Die dunklen Bogengänge der Kirche bedecken die Entschlafenen mit ihren Schatten; und man könnte glauben, man befinde sich in einem Walde, dessen Zweige und Blätter der Tod dermaßen durchdrungen hat, daß sie sich nicht wiegen und bewegen können, wenn die Jahrhunderte, gleich den Nachtwinden, sich fangen in ihren verlängerten Gewölben. Die Orgel läßt in der Kirche ihre majestätischen Töne hören; bronzene Inschriften, halb zerstört von dem feuchten Hauch der Zeit, deuten verworren die Großthaten an, die, nachdem sie lange glänzende Wahrheit gewesen sind, nun wieder zur Fabel werden.
    Wenn man sich in Deutschland mit den Künsten beschäftigt, so möchte man immer lieber von den Schriftstellern, als von den Künstlern reden. In jeder

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