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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Universal-Geschichte es darauf an, die tugendhaften Handlungen, wie die größten Verbrechen, zufälligen Ereignissen zuzuschreiben, welche jenen das Verdienst, diesen das Unrecht nehmen. In der That, wenn in der Seele nichts weiter vorgeht, als was die Sensationen darein niedergelegt haben: so kann man auf Erden nur zwei Dinge für recht und dauerhaft halten, die Stärke und das Wohlbehagen, dieTactik und die Gastronomie; aber wenn man dem Geiste, wie die moderne Philosophie ihn gebildet hat, noch einige Gnade widerfahren läßt: so wird man sich bald zu dem Wunsche genötigt sehen, daß noch ein klein wenig exaltirte Natur zum Vorschein trete, damit doch etwas da sey, woran man sich üben könne.
    Die Stoiker haben oft wiederholt, daß man allen Schlägen des Schicksals trotzen und sich nur mit dem beschäftigen müsse, was von unserer Seele, unseren Gefühlen und unseren Gedanken abhängt. Die Sensationen-Philosophie würde zu einem ganz entgegengesetzten Resultate gelangen; denn gerade von unseren Gefühlen und Gedanken würde sie uns loszureißen suchen, um alle unsere Bemühungen einem materiellen Wohlseyn zuzuwenden. Sie würde zu uns sagen: Haltet fest an dem gegenwärtigen Augenblick, betrachtet das , was aus dem Umkreis der Freuden oder Geschäfte dieser Welt heraustritt, als Schimäre, und bringt dies kurze Leben so gut hin, als ihr könnt, indem ihr für eure Gesundheit sorgt, welche die Grundlage eures Glücks ist. – Zu allen Zeiten hat man diese Maximen gekannt, aber man glaubte, sie wäre für die Bedienten im Lustspiel da, bis man sie in unseren Tagen zu einer Vernunftlehre gemacht hat, die sich auf Nothwendigkeit stützt; zu einer Lehre, die sich sehr wesentlich von der religiösen Ergebung unterscheidet, indem jene eben so gemein und pöbelhaft, als diese edel und erhaben ist.
    Das Sonderbarste ist, daß man aus einer so gemeinen Philosophie die Theorie der Eleganz hat ableiten wollen. Unsere arme Natur ist nicht selten selbstisch und gemein; man muß darüber trauren. Sich dessen rühmen, ist neu. Gleichgültigkeit und Abschätzigkeit gegen erhabene Dinge sind der Typus der Anmuth geworden, und die Spöttereien haben sich gegen das lebendige Interesse gerichtet, das man an allem finden kann, was in dieser Welt kein positives Resultat giebt.
    Die Metaphysik, welche alle unsere Ideen auf unsere Sensationen zurückführt, ist das erklügelte Princip der Leichtfertigkeit des Herzens und des Geistes; denn von außen her kommt uns nur Oberflächliches, und das ernste Leben ist im Innern der Seele. Führte jene materialistische Schicksalslehre, als Theorie des menschlichen Geistes, eben so zum Eckel gegen alles Aeußere, wie sie zum Unglauben in Beziehung auf alles Innere führt, dann würde in diesem System noch ein gewisser Adel, eine orientalische Indolenz enthalten seyn, die nicht alle Größe ausschließt; und griechische Philosophen haben das Mittel gefunden, in die Apathie sogar Würde zu bringen. Allein die Herrschaft der Sensationen hat, indem sie stufenweis das Gefühl schwächte, die Thätigkeit des persönlichen Vortheils bestehen lassen, und diese Triebfeder ist um so mächtiger geworden, je mehr die übrigen zerbrochen sind.
    Zu dem Unglauben des Geistes, zu der Selbstheit des Herzens muß man noch die Lehre vom Gewissen hinzufügen, welche Helvetius entwickelte, als er behauptete, die tugendhaften Handlungen hätten in sich den Zweck, die physischen Genüsse zu erwerben, deren man hienieden theilhaftig werden kann. Entstanden ist hieraus, daß man die Opfer, welche der idealen Verehrung irgend einer Meinung oder irgend eines Gefühls dargebracht werden können, als eine Art von Einfältigkeit betrachtet hat; und da den Menschen nichts so furchtbar scheint, als für Betrogene gehalten zu werden, so haben sie sich beeilt, jeden Enthusiasmus, welcher unglücklich abläuft, lächerlich zu machen. Denn die, welche den Erfolg auf ihrer Seite hatten, entgingen der Verspottung, indem das Glück bei den Materialisten immer Recht hat.
    Die dogmatische Ungläubigkeit, d. h. diejenige, welche alles, was nicht durch die Sensationen bewiesen ist, zweifelhaft macht, ist die Quelle der großen Ironie des Menschen gegen sich selbst; alle moralische Herabwürdigung rührt von ihr her. Diese Philosophie muß unstreitig mehr als die Wirkung, denn als die Ursache der gegenwärtigen Richtung aller Geister betrachtet werden, gleichwol giebt es ein Uebel, das sie allein hervorgebracht hat: sie hat nehmlich der

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