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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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und Zweifelhafte verwirft: aber dem gemäß macht man die größten Gedanken lächerlich, wenn man, um sie zu fassen, das Nachdenken anstrengen, oder, um sie zu fühlen, sein Herz befragen muß. Man spricht zwar noch mit Achtung von einem Pascal, einem Bossuet, einem J. J. Rousseau u.s.w., weil die Autorität sie geheiligt hat, und weil die Autorität in allen Dingen etwas sehr Klares ist; allein, indem die Mehrzahl der Leser überzeugt ist, daß Unwissenheit und Trägheit in geistigen Dingen die Attribute des Edelmannes sind: so halten sie es unter ihrer Würde, sich Mühe zu geben, und wollen Schriften, welche den Menschen und die Natur zum Gegenstande haben, wie einen Zeitungsartikel lesen.
    Kurz, wenn dergleichen Schriften zufälligerweise von einem Deutschen herrührten, dessen nicht französischer Name sich eben so schwer aussprechen ließe, als der des Baron im Candide; welche Menge scherzhafter Einfälle würde man nicht daraus ziehen? und alle diese Späße sagen nichts weiter, als: ich habe Anmuth und Leichtigkeit, während ihr, die ihr das Unglück habt, an etwas zu denken und euch an gewissen Gefühlen zu halten, euch nicht mit derselben Eleganz und Gewandtheit über alles lustig macht. –
    Die Philosophie der Sensationen ist eine von den Hauptursachen dieser Leichtfertigkeit. Seitdem man die Seele als leidend betrachtet hat, sind viele philosophische Arbeiten abschätzig behandelt worden. Von dem Tage an, wo man sagte, es gebe keine Geheimnisse in dieser Welt, wenigstens brauche man sich nicht damit zu befassen, alle Ideen kämen durch die Augen und die Ohren, und nur das Handgreifliche sey wahr – seit diesem Tage haben sich die für die wahren Philosophen gehalten, die im Vollgenuß ihrer Sinne waren. Wer Ideen genug hat, um Geld zu gewinnen, wenn er arm ist, und Geld zu verthun, wenn es ihm gelungen ist, reich zu werden, gilt für einen Mann, der sich in dem Besitz einer vernünftigen Philosophie befindet, und Träumer sind alle Diejenigen, die noch an etwas anderes denken. In der That, die Sensationen lehren keine andere Philosophie, und wenn man nichts weiter wissen kann, als was von ihnen herstammt: so muß alles, was nicht einer materiellen Evidenz unterthan ist, mit der Benennung der Thorheit belegt werden.
    Gäbe man im Gegentheil zu, daß die Seele durch sich selber wirkt, daß man in sich selbst schöpfen müsse, um die Wahrheit zu finden, und daß diese Wahrheit nur durch ein tiefes Nachforschen erhascht werden könne, weil sie nicht in dem Kreise irdischer Erfahrungen liege: so würde man nicht die höchsten Gedanken verwerfen, weil sie eine überlegte Aufmerksamkeit erfordern, was man aber unerträglich finden würde, wäre das oberflächliche Gemeine; denn das Leere ist auf die Dauer im höchsten Grade plump.
    Den Einfluß der metaphysischen Systeme auf die allgemeine Richtung der Geister fühlte Voltaire so gut, daß er seinen Candide nur schrieb, um Leibnitz zu bekämpfen. Er war aufgebracht gegen die Endursachen, den Optimismus, den freien Willen, kurz gegen alle philosophische Meinungen, welche die Würde des Menschen erheben, und machte seinen Candide, dieses Werk höllischer Freude; denn es scheint von einem Wesen geschrieben, das, von ganz anderer Art, als wir übrigen, gleichgültig ist gegen unser Schicksal, sich in unsere Leiden gefunden hat, und wie ein Dämon oder wie ein Affe über die Armseligkeiten dieser menschlichen Gattung lacht, mit welcher er nichts gemein hat. Der größte Dichter seiner Zeit, der Verfasser von Alzire, Tancred, Merope, Zaire und Brutus, verkannte in dieser Schrift alle moralischen Größen, die er so würdig gepriesen hatte.
    Wenn Voltaire, als tragischer Dichter, in der Rolle eines Anderen dachte und fühlte, dann war er bewundernswürdig; wenn er aber in seiner eigenen blieb, so war er nur Spötter und Zyniker. Dieselbe Beweglichkeit, die ihn den Charakter der Personen annehmen ließ, welche er mahlen wollte, hat ihm nur allzugut die Sprache eingehaucht, die ihm in gewissen Augenblicken zukam. Candide setzt diese spöttische Philosophie, die dem Anscheine nach so nachsichtig, dem Wesen nach hingegen so grausam ist, in Thätigkeit; er stellt die menschliche Natur unter dem bejammernswerthesten Anblick dar, und läßt uns zu unserem Troste nichts übrig, als das sardonische Lächeln, das uns von dem Mitleid gegen Andere losspricht, indem es uns vermag, für uns selbst darauf Verzicht zu leisten.
    In Folge dieses Systemes legt Voltaire in seiner

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