Ueber Deutschland
betrachtete, die sich wiederholen, sich entsprechen, sich gegenseitig nachahmen. Seine Monaden, aus welchen er einfache Elemente des Universums macht, sind eine eben so unfruchtbare Hypothese, wie alle die, deren man sich zur Erklärung des Ursprungs der Dinge bedient hat. Bei dem allen befindet sich der menschliche Geist in einer seltsamen Verlegenheit. Unaufhörlich zu dem Geheimniß seines Wesens hingezogen, fühlt er, daß es ihm eben so unmöglich ist, dasselbe zu entdecken und nicht immer daran zu denken.
Nach einer persischen Ueberlieferung fragte Zoroaster die Gottheit: wie die Welt angefangen habe, wann sie aufhören werde, und welches der Ursprung des Guten und des Bösen sey? Und die Gottheit antwortete auf alle diese Fragen: Thue das Gute und gewinne die Unsterblichkeit . Was diese Antwort am meisten bewundernswürdig macht, ist, daß sie den Menschen nicht abschreckt von den erhabensten Grübeleien; sie lehrt ihn nur, daß er sich allein auf dem Wege des Gewissens und des Gefühls zu den tiefsten Conceptionen der Philosophie erheben könne.
Leibnitz war ein Idealist, welcher sein System nur auf Raisonnement gründete. Daher kommt es, daß er seine Abstraktionen zu weit getrieben und seine Theorie nicht genug auf innere Ueberzeugung gestützt hat, da diese doch die einzige wahre Grundlage für Alles ist, was über den Verstand hinaus geht. In der That, man braucht nur über die Freiheit des Menschen zu raisonniren, um nicht mehr daran zu glauben; und wiederum braucht man nur die Hand aufs Herz zu legen, um nicht länger daran zu zweifeln. Folgerung und Widerspruch, in dem Sinne, welchen wir mit beiden verbinden, giebt es gar nicht in der Sphäre der großen Fragen über die Freiheit des Menschen, über den Ursprung des Guten und des Bösen, über die göttliche Vorsehung u.s.w. Bei diesen Fragen steht das Gefühl beinahe immer in Opposition gegen das Raisonnement, damit der Mensch einsehen lerne, daß alles, was er in der Ordnung irdischer Dinge unglaublich nennt, vielleicht die höchste Wahrheit unter allgemeinen Beziehungen ist.
Dante hat einen großen philosophischen Gedanken durch folgenden Vers ausgedrückt:
A guisa del ver primo che l'uom crede.
[„Dem ersten Wahren gleich, das der Mensch glaubt.“]
Man muß an gewisse Wahrheiten glauben, wie an das Daseyn; das Gemüth offenbart sie uns, und Raisonnements aller Art sind nur schwache Ableitungen von dieser Quelle.
Die Theodizee Leibnitzens handelt von der göttlichen Vorsehung und von der Ursache des Guten und des Bösen; eins von den gründlichsten und scharfsinnigsten Werken über die Theorie des Unendlichen. Bei dem allen wendet der Verfasser allzu oft auf das Gränzenlose eine Logik an, für welche nur begränzte Gegenstände empfänglich sind. Leibnitz war ein höchst religiöser Mann, aber eben deswegen hielt er sich für berufen, die Glaubenswahrheiten auf mathematische Raisonnements zu gründen, um ihnen eine Grundlage zu verschaffen, welche in dem Gebiete der Erfahrung zugelassen wird. Dieser Irrthum hängt an einer Achtung, die man sich für kalte und durstige Geister nicht eingesteht. Man will sie auf ihre Weise überführen; man wähnt, daß Argumente in logischer Form mehr Gewißheit in sich schließen, als ein Gefühlsbeweis; und es ist nichts daran.
In der Region intellektueller und religiöser Wahrheiten, wie Leibnitz sie verhandelt hat, muß man sich des Gewissens wie einer Demonstration bedienen. Indem Leibnitz sich an abstrakte Raisonnements halten wollte, verlangt er von den Geistern eine Spannkraft, deren die wenigsten fähig sind. Metaphysische Werke, welche weder aus die Erfahrung, noch auf das Gefühl gegründet sind, ermüden, den Gedanken ungemein, und man kann sich dabey physisch und moralisch so übel befinden, daß man, um diese Empfindung zu besiegen, die Organe der Vernunft in seinem Kopfe zersprengen könnte. Ein Dichter Namens Baggesen, macht den Schwindel zu einer Gottheit; und dieser Gottheit muß man sich empfehlen, wenn man Werke studiren will, welche uns dermaßen auf den Gipfel der Ideen stellen, daß es uns an einer Leiter fehlt, um wieder zum Leben abzusteigen.
Metaphysische und religiöse Schriftsteller, welche zugleich beredt und gefühlvoll sind – wie es deren Einige giebt – sagen unserer Natur weit mehr zu. Weit davon entfernt, daß sie von uns ein Verstummen unseres Empfindungsvermögens fordern sollten, damit unser Abstraktionsvermögen desto reiner wirke, verlangen sie, daß wir denken,
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