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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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philosophischen Unbeugsamkeit erwarten darf, sondern er vereinbart auch beständig die Evidenz des Herzens mit der des Verstandes, und findet ein besonderes Wohlgefallen daran, seine abstrakte Theorie über die Natur der Intelligenz zur Unterstützung der einfachsten und stärksten Gefühle dienen zu lassen.
    Ein durch die Sensationen erworbenes Gewissen, würde von Sensationen erstickt werden können, und man setzt die Würde der Pflicht herab, wenn man sie abhängig macht von äußeren Gegenständen. Kant kommt also immer wieder darauf zurück, daß das tiefe Gefühl dieser Würde die nothwendige Bedingung unseres moralischen Wesens und das Gesetz sey, wodurch dieses existirt. Die Herrschaft der Sensationen und die schlechten Handlungen, zu welchen sie verführen, können in uns den Begriff des Guten und des Bösen eben so wenig zerstören, als der Begriff von Raum und Zeit durch die Fehlgriffe verändert wird, welche wir uns in der Anwendung zu Schulden kommen lassen. In welcher Lage man sich auch befinden möge: so giebt es immer eine Gegenwirkung gegen die Umstände, welche aus dem Innersten des Gemüths hervorgeht; und man fühlt sehr wohl, daß weder die Gesetze des Verstandes, noch die moralische Freiheit, noch das Gewissen in uns von der Erfahrung herrühren.
    In seiner Abhandlung über das Erhabene und Schöne, betitelt Kritik der Urtheilskraft , wendet Kant dasselbe System, aus welchem er für die Sphäre der Intelligenz und des Gefühls so fruchtbare Folgerungen gezogen hat, auf die Vergnügungen der Einbildungskraft an, oder vielmehr es ist dasselbe Gemüth, welches er untersucht, und das sich in den Wissenschaften, in der Moral und den schönen Künsten offenbart. Kant behauptet, daß es in der Poesie und in den Künsten, welche, wie jene, die Gefühle durch Bilder zu mahlen würdig sind, zwei Arten von Schönheit giebt, von welchen sich die eine auf die Zeit und auf dies Leben, die andere auf das Ewige und Unendliche bezieht.
    Und man sage doch nicht, daß das Unendliche und Ewige unbegreiflich sey; gerade das Endliche und Flüchtige konnte man sich bisweilen versucht fühlen, für einen Traum zu halten; denn der Gedanke entdeckt nirgend das Ziel, und das Nichts kann nicht von dem Seyn begriffen werden. Man kann die strengen Wissenschaften selbst nicht ergründen, ohne das Unendliche und Ewige in ihnen anzutreffen; die positivesten Dinge gehören, in gewissen Beziehungen, eben so sehr zu diesem Unendlichen und diesem Ewigen, als das Gefühl und die Einbildungskraft.
    Aus dieser Anwendung des Gefühls des Unendlichen auf die schönen Künste muß das schöne Ideal hervorgehen, d. h. das Schöne, nicht als die Vereinigung und Nachbildung dessen, was in der Natur das Beste ist, sondern als das realisirte Bild dessen, was unser Gemüth sich darstellt. Die materialistischen Philosophen beurtheilen das Schöne nach dem angenehmen Eindruck, den es verursacht, und setzen es folglich in das Gebiet der Sensationen. Die spiritualistischen Philosophen, welche Alles auf die Vernunft beziehen, sehen in dem Schönen das Vollkommene, und finden darin eine Analogie mit dem Nützlichen und dem Guten, welches die ersten Grade des Vollkommenen sind. Kant hat beide Erklärungsarten verworfen.
    Bloß als angenehm betrachtet, würde das Schöne in der Sphäre der Sensationen begriffen seyn, und folglich der Verschiedenheit des Geschmacks unterliegen; es könnte nicht jene allgemeine Bestimmung verdienen, die der wahre Charakter der Schönheit ist. Das Schöne, als Vollkommenheit genommen, würde eine Art von Urtheil erfordern, welches dem ähnlich wäre, was die Hochachtung begründet. Der Enthusiasmus, den es einschließen muß, steht weder mit den Sensationen, noch mit dem Urtheil in Verbindung; es ist eine angeborne Anlage, wie das Gefühl der Pflicht und die nothwendigen Verstandesbegriffe, und wir erkennen das Schöne, sobald wir es sehen, weil es das äußere Bild des Ideals ist, dessen Typus sich in unserer Intelligenz befindet. Die Verschiedenheit des Geschmacks findet ihre Anwendung nur auf das Angenehme; denn die Sensationen sind die Quelle dieser Art des Vergnügens. Dagegen müssen alle Menschen das Schöne bewundern, es mag der Natur oder den Künsten angehören; denn sie tragen in ihrem Gemüthe die Gefühle göttlichen Ursprungs, welche das Schöne weckt und zu Gegenständen des Bewußtseyns und Genusses erhebt.
    Von der Theorie des Schönen geht Kant zur Theorie des Erhabenen über, und dieser zweite Theil

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