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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Intensität des Lebens und das Leben selbst auf die Materie wirkt. Das Princip des Daseyns ist gleichsam ein Mittelding zwischen Körper und Seele, deren Macht nicht berechnet werden kann, die sich aber auch nicht läugnen läßt, wenn nicht verkannt werden soll, was die belebte Natur constituirt, und wenn man ihre Gesetze nicht auf bloßen Mechanismus zurückführen will.
    Wie man auch über das System des Doctors Gall urtheilen möge, er selbst wird von allen Gelehrten wegen der Studien und Entdeckungen geschätzt, die er in der Wissenschaft der zergliederung gemacht hat; und wenn man die Organe des Gedankens, als von demselben verschieden betrachtet, d. h. als Mittel, die er gebraucht: so kann man, dünkt mich, zugeben, das Gedächtniß und Calcul, die besondere Geschicklichkeit zu der und der Wissenschaft, das Talent für die und die Kunst, kurz alles, was der Intelligenz als Werkzeug dient, gewissermassen von dem Bau des Gehirns abhängt. Giebt es eine Stufenleiter vom Stein bis zum menschlichen Leben: so muß es auch in uns gewisse Fähigkeiten geben, die dem Körper und der Seele gleich sehr verwandt sind; und dahin gehört das Gedächtnis und der Calcul, die am meißten physischen unserer intellectuellen, die am meisten intellectuellen unserer physischen Möglichkeiten. Allein der Irrthum würde von dem Augenblick anheben, wo man den Bau des Gehirns den mindesten Einfluß auf unsere moralischen Eigenschaften einräumen wollte; denn der Wille ist vollkommen unabhängig von allen physischen Vermögen, und in der rein intellectuellen Thätigkeit dieses Willens besteht das Gewissen, welches von körperlicher Organisation frei ist und seyn muß. Alles, was uns die Verantwortlichkeit für unsere Handlungen zu rauben strebt, würde falsch und schlecht seyn.
    Ein junger Arzt von großem Talent, namens Koreff, zieht die Aufmerksamkeit Aller, die ihn gehört haben, durch ganz neue Betrachtungen über das Princip des Lebens, über die Thätigkeit des Todes, und die Ursachen des Wahnsinns auf sich. Die ganze Bewegung in den Geistern kündigt irgend eine Revolution, selbst in der Art, die Wissenschaften anzuschauen, an. Die Resultate davon vorherzusehen, ist unmöglich; was man aber mit Wahrheit behaupten kann, ist, daß, wenn die Deutschen sich von der Einbildungskraft leiten lassen, sie keine Arbeit, keine Untersuchung, kein Studium sparen, und im höchsten Grade zwei Eigenschaften vereinigen, die sich auszuschließen scheinen, nemlich die Geduld und den Enthusiasmus.
    Einige deutsche Gelehrten, welche den physischen Idealismus noch weiter treiben, bestreiten das Axiom. daß es keine Einwirkung auf Entfernung giebt , und wollen im Gegentyeil die freiwillige Bewegung der Natur überall wieder einführen. Sie verwerfen die Hypothese der Flüssigkeiten, deren Wirkungen in mancher Hinsicht Aehnlichkeit haben würden mit mechanischen Kräften, welche sich heben und niederdrücken, ohne daß eine unabhängige Organisation sie leitet.
    Die, welche die Natur als eine Intelligenz betrachten, geben dem Worte nicht den Sinn, den man gewöhnlich damit verbindet. Denn der Gedanke des Menschen besteht in der Fähigkeit, sich auf sich selbst zurückzuziehen, und die Intelligenz schreitet vor, wie der Instinkt der Thiere. Der Gedanke beherrscht sich selbst, weil er richtet; die Intelligenz ohne Nachsinnen, ist eine Macht, die immer nach außen hingezogen ist. Wenn die Natur nach den regelmäßigsten Formen kristallisirt: so folgt daraus noch nicht, daß sie Mathematik versteht; wenigstens weiß sie selbst nicht, was sie thut, und das Bewußtseyn ihrer selbst geht ihr ab. Die deutschen Gelehrten schreiben den physischen Kräften eine gewisse individuelle Originalität zu; und auf der anderen Seite scheinen sie in ihrer Alt und Weise, einige Phänomene des thierischen Magnetismus darzustellen, einzuräumen, daß der Wille des Menschen ohne äußeren Act einen sehr starken Einfluß auf die Materie, besonders aber auf die Metalle ausübt.
    Pascal sagt: „die Astrologen und Alchymisten haben einige Principien, aber sie misbrauchen dieselben." Im Alterthum hat es vielleicht innigere Beziehungen zwischen dem Menschen und der Natur gegeben, als heut zu Tage. Die Mysterien von Eleusis, der Gottesdienst der Aegyptier, das System der Emanationen bei den Hindus, die Anbetung der Elemente und der Sonne bei den Persern, die Harmonie der Zahlen, welche die Lehre des Pythagoras begründete, sind Spuren einer Anziehung, welche den Menschen mit der

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