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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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und Buchholz. Zur Classe der philosophischen Physiker muß man Schelling, Ritter, Bader, Steffens u.s.w. rechnen. Die vorzüglichsten Geister dieser beiden Klassen nähern sich und verstehen sich; denn die philosophischen Physiker können die Erfahrung nicht verschmähen, und tiefe Beobachter versagen sich nie den möglichen Resultaten hoher Betrachtungen.
    Schon hat man die Anziehungs- und Antriebskraft zum Gegenstand neuer Forschungen gemacht, und die Anwendung derselben auf die chemischen Verwandtschaften ist sehr glücklich ausgefallen. Das Licht, als ein Mittelstoff zwischen Materie und Geist betrachtet, hat Veranlassung gegeben zu sehr philosophischen Ansichten. Mit Achtung spricht man von Goethe's Arbeit über die Farben. Kurz, von allen Seiten ist in Deutschland die Nacheiferung von dem Wunsch und der Hoffnung gespornt, die Erfahrungs-hilosophie mit der spekulativen zu vereinigen, und dadurch die Wissenschaft des Menschen und der Natur zu vergrößern.
    Der intellectuelle Idealismus macht aus dem Willen, welcher das Gemüth ist, den Mittelpunkt von Allem; das Princip des physischen Idealismus ist das Leben. Durch die Chemie, wie durch das Raisonnement, gelangt der Mensch zur höchsten Stufe der Analysis; aber durch die Chemie entschlüpft ihm das Leben, wie ihm durch das Raisonnement das Gefühl entläuft. Ein französischer Schriftsteller hatte behauptet, der Gedanke sey nichts weiter, als das materielle Produkt des Gehirns . Ein anderer Gelehrter hat gesagt, daß, wenn man in der Chemie nur erst gehörig vorgeschritten seyn würde, man wohl dahin gelangen könnte, zu wissen, wie man Leben macht . Der eine beleidigte die Natur, der andere die Seele.
    Man muß, sagte Fichte, begreifen, was als solches unbegreiflich ist . Dieser seltsame Ausdruck schließt einen tiefen Sinn in sich; man, muß fühlen und erkennen, was der Analysis unzugänglich ist, und was nur durch den Ausflug des Gedankens erfaßt werden kann.
    In der Natur hat man drei verschiedene Arten von Daseyn wahrzunehmen geglaubt: die Vegetation, die Reizbarkeit, die Empfindsamkeit. Die Pflanzen, die Thiere, die Menschen finden sich in diesen drei Arten des Lebens eingeschlossen; und wenn man diese scharfsinnige Eintheilung auf die Individuen unseres Geschlechts anwenden will: so wird man sehen, daß man sie gleichmäßig unter jenen verschiedenen Charakteren wiederfinden kann. Einige vegetiren, wie die Pflanzen, andere genießen oder reizen sich nach Art der Thiere, und die Edelsten endlich besitzen und entwickeln in sich die Eigenschaften, welche die menschliche Natur auszeichnen. Wie dem auch seyn möge, der Wille, welcher das Leben, das Leben, welches zugleich der Wille ist, enthalten das ganze Geheimniß des Universums und unserer selbst, und da man dieses Geheimniß weder läugnen noch erklären kann: so muß man nothwendig durch eine Art von Divination hinter dasselbe kommen.
    Welchen Kraftaufwand würde es nicht erfordern, um mit einem nach dem Muster des Arms gebildeten Hebel die Last zu erschüttern, welche der Arm hebt? Sehen wir nicht täglich den Zorn, oder irgend eine andere Leidenschaft der Seele, die Kraft des menschlichen Körpers wie durch ein Wunder vermehren? Welches ist denn die geheimnißvolle Macht der Natur, die sich durch den Willen des Menschen offenbart? Und wie könnte man, ohne seine Ursache und seine Wirkungen studirt zu haben, irgend eine wichtige Entdeckung in der Theorie der physischen Kräfte machen.
    Die Lehre des Schottländers Brown, in Deutschland weit tiefer erforscht, als sonst wo, ist auf dasselbe System von Thätigkeit und Central-Einheit gegründet, welches in seinen Folgerungen so ungemein fruchtbar ist. Brown glaubte, der Zustand des Leidens, oder der Zustand der Gesundheit stehe in keiner Verbindung mit partiellen Uebeln, wohl aber mit der Intensität des Lebens-Princips, welches sich schwäche oder hebe, je nach den verschiedenen Wechseln des Daseyns.
    Unter den englischen Gelehrten haben nur Hartley und sein Schüler Priestley die Metaphysik wie die Physik aus einem durchaus materialistischen Gesichtspunkt gefaßt. Zwar wird man behaupten, die Physik könne nicht anders behandelt werden; allein ich bin nicht dieser Meinung, was man auch von mir denken mag. Die, welche aus der Seele ein passives Wesen machen, verbannen mit desto größerem Rechte aus den positiven Wissenschaften das unerklärliche Uebergewicht des menschlichen Willens; und gleichwol giebt es mehrere Umstände, wo dieser Wille auf die

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