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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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würden."
    Welch ein ungerechter Vertrag! Alle menschlichen Gefühle versagen sich demselben. Es existirt ein seltsamer Contrast zwischen den Formen der Hochachtung, welche der Geist des Ritterthums in Beziehung auf die Weiber in Europa eingeführt hat, und der tyrannischen Freiheit, welche die Männer sich zugesprochen haben. Dieser Contrast bringt alle Verirrungen der Gefühle hervor: die unerlaubten Zuneigungen, den Meineid, die Verlassenheit, die Verzweiflung. Weniger, als andere Nationen, sind die germanischen von diesen traurigen Wirkungen berührt worden; allein sie müssen in dieser Hinsicht den Einfluß fürchten, welchen die neuere Civilisation auf die Dauer ausübt. Es wäre besser, die Weiber wie Sklaven einzusperren, und weder ihren Verstand, noch ihre Einbildungskraft anzuregen, als sie mitten in die Welt zu schleudern, und alle ihre Fähigkeiten zu entwickeln, um ihnen hinterher das Glück zu versagen, das diese Fähigkeiten nothwendig machen.
    In einer unglücklichen Ehe hat der Schmerz eine Kraft, wodurch er über alle übrigen Leiden dieser Welt hinausgeht. Das ganze Gemüth einer Frau ruht auf ehelicher Anhänglichkeit. Allein gegen das Schicksal ankämpfen, sich dem Grabe nähern, ohne daß ein Freund uns aufrecht hält, ohne daß ein Freund uns bedauert: dies ist eine Vereinzelung, von welcher die Wüsten Arabiens nur ein schwaches Bild geben; und wenn die Schätze unserer jungen Jahre vergeblich aufgeopfert sind, wenn wir für das Ende unseres Lebens keinen Wiederschein der ersten Strahlen mehr hoffen, wenn die Abenddämmerung nichts in sich trägt, was an die Morgenröthe erinnert, und bleich und farblos ist, wie ein Gespenst, das die Nacht verkündet — dann empört sich unser Herz, dann kommt es uns vor, als seyen wir der Gaben Gottes hienieden beraubt worden; und wenn wir noch immer Denjenigen lieben, der uns als eine Sklavin behandelt, weil er uns nicht angehört und doch über uns verfügt: so bemächtigt sich die Verzweiflung aller unserer Fähigkeiten, und das Gewissen selbst verwirrt sich in Kraft des Unglücks.
    Die Weiber könnten dem Gatten, der ihre Bestimmung leichtsinnig behandelt, die beiden Verse aus einer Fabel zurufen:
    Ja wohl ein Spiel für dich;
    Doch ach! der Tod für mich.
    Und so lange in den Ideen nicht eine Umwälzung vorgeht, welche die Meinung der Männer über die Beständigkeit, die das Band der Ehe ihnen auflegt, verändert, wird zwischen den beiden Geschlechtern immer Krieg seyn — ein geheimer, ewiger, listiger, meineidiger Krieg, bei welchem die Moralität beider leidet.
    In Deutschland giebt es in der Ehe beinahe gar keine Ungleichheit zwischen den beiden Geschlechtern. Dies rührt daher, daß die Weiber die heiligsten Bande eben so oft zerreissen, wie die Männer. Die Leichtigkeit der Ehescheidung hat in die Familien, Verhältnisse eine Art von Anarchie gebracht, welche nichts in seiner Wahrheit und in seiner Stärke bestehen läßt. Um etwas Heiliges auf Erden zu bewahren, ist es doch wohl besser, daß es in der Ehe eine Sklavin, als zwei starke Geister gebe.
    Die Reinheit des Gemüths und der Aufführung ist die erste Glorie eines Weibes. Welch ein entwürdigtes Wesen würde sie nicht ohne die eine und die andere seyn! Allein das allgemeine Glück und die Würde des menschlichen Geschlechts würden vielleicht nichts destoweniger durch die eheliche Treue der Männer gewinnen. In der That, was ist schöner in der moralischen Ordnung, als ein Jüngling, der dieses erhabene Band achtet? Die Meinung fordert es nicht von ihm; die Gesellschaft spricht ihn frei; eine Art von barbarischer Spötterei würde sich angelegen seyn lassen, selbst die Klagen des von ihm zerrissenen Herzens zu ersticken: denn der Tadel wendet sich so leicht gegen die Schlachtopfer; er kann also nach Belieben walten. Aber er selbst legt sich Pflichten auf. Aus seinen Fehltritten können keine Nachtheile hervorgehen; aber er fürchtet das Uebel, welches er derjenigen zufügen würde, die seinem Herzen vertraut hat, und die Großmuth fesselt ihn noch weit mehr, als die Gesellschaft ihn frei spricht.
    Den Weibern wird die Treue durch tausend verschiedene Betrachtungen geboten: sie können die Gefahren und Demüthigungen fürchten, welche die unvermeidlichen Folgen einer Verirrung sind. Dagegen ist die Stimme des Gewissens die einzige, die sich für den Mann vernehmen läßt: er weiß, welche Leiden er verursacht; er weiß, daß er durch die Unbeständigkeit ein Gefühl zum Welken bringt, das

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