Ueber Deutschland
Bedingung, welche erforderlich sey, um das Glück, Kinder zu haben, zu genießen. Dies ist falsch, wenn von der moralischen Seite, noch falscher, wenn von Glück die Rede ist.
Gut in Beziehung auf seine Kinder zu seyn, ist so leicht, daß man daraus kein Verdienst machen sollte. In ihren ersten Jahren können sie keinen anderen Willen haben, als den ihrer Aeltern; und sobald sie zur Jugend gelangen, existiren sie durch sich selbst. Gerechtigkeit und Güte machen die vornehmsten Pflichten eines Verhältnisses aus, welches die Natur so leicht macht. So steht es nicht um die Beziehungen mit dieser Hälfte unserer Selbst, welche Glück und Unglück in den geringsten unserer Handlungen, unserer Blicke, unserer Gedanken finden kann. Hier gerade kann sich die Moralität in ihrer ganzen Stärke zeigen; und gerade hier ist auch die wahre Quelle der Glückseligkeit.
Ein Freund von demselben Alter, an dessen Seite man leben und sterben soll; ein Freund, dessen sämmtliche Angelegenheiten die unsrigen sind, dessen Aussichten ohne Ausnahme (so daß selbst das Grab darin begriffen ist) auf uns übergehen: dies ist das Gefühl, welches das ganze Schicksal enthält. Es ist wahr, bisweilen werden unsere Kinder, noch öfter unsere Eltern, unsere Gefährten durchs Leben; aber dieser seltene und erhabene Genuß wird von den Gesetzen der Natur bekämpft, während die Verbindung durch die Ehe in Uebereinstimmung mit dem ganzen menschlichen Daseyn ist.
Woher kommt es denn, daß diese so heilige Verbindung so oft verunheiligt wird? Ich will den Muth haben, es zu sagen. Von der seltsamen Ungleichheit kommt es, welche die Meinung der Gesellschaft in die Pflichten der beiden Gatten bringt; und an diese muß man sich halten. Das Christenthum hat die Weiber aus einem Zustande gerissen, welcher der Sklaverei glich. Da die Gleichheit vor Gott die Grundlage dieser bewundernswürdigen Religion ist: so strebt sie auch dahin, die Gleichheit der Rechte aus Erden beizubehalten; die göttliche Gerechtigkeit, die allein vollkommen ist, gestattet keine Art von Privilegium, am wenigsten das der Stärke. Gleichwol sind vom Sklavenzustande der Weiber her Vorurtheile geblieben, die, indem sie sich mit der großen Freiheit verbinden, welche die Gesellschaft ihnen gestattet, große Uebel herbeigeführt haben.
Mit Recht hat man die Weiber von den politischen und bürgerlichen Angelegenheiten ausgeschlossen; nichts ist ihrem natürlichen Berufe so sehr entgegen, als alles, was ihnen Beziehungen von Nebenbulerei mit den Männern aufdringt, und der Ruhm selbst würde nur ein glänzender Traueranzug verlornen Glücks für das Weib seyn. Allein, wenn die Bestimmung der Weiber einmal in einem fort, dauernden Act von Aufopferung, der ehelichen Liebe dargebracht, bestehen sollte: so ist die gewissenhafte Treue Dessen, der der Gegenstand dieser Aufopferung ist, die Belohnung derselben.
Die Religion macht keinen Unterschied zwischen den Pflichten beider Gatten; aber die Welt macht einen sehr großen, und aus diesem Unterschied geht die Verschlagenheit der Weiber und die Erbitterung der Männer hervor. Wo ist das Herz, das sich ganz hingeben könnte, ohne ein anderes Herz zu wollen, das sich gleichfalls ganz giebt? Wer nimmt also mit Aufrichtigkeit die Freundschaft als den Preis der Liebe an? Wer verspricht mit Ueberzeugung die Beständigkeit dem, der nicht treu seyn will? Unstreitig kann die Religion es fordern; denn sie allein hat das Geheimniß jener dunklen Gegend, wo die Opfer zu Genüssen werden. Aber wie ungerecht ist der Tausch, welchen sich die Lebensgefährtin nach dem Willen des Mannes gefallen lassen soll!
„Ich werde dich, sagt er, zwei oder drei Jahre mit Leidenschaft lieben, und nach Verlauf dieser „Zeit vernünftig mit dir reden." (Und was sie Vernunft nennen, ist die Entzauberung des Lebens.) „Ich werde in meinem Hause Kälte und Langeweile blicken lassen; ich werde anderweitig zu gefallen suchen. Aber du, die du in der Regel mehr Einbildungskraft und Empfindsamkeit hast, als ich; du, für welche es weder eine Laufbahn, noch Zerstreuung giebt, während die Welt mir von allen Seiten dergleichen darbietet; du, die du nur für mich vorhanden bist, während ich tausend andere Gedanken habe — du sollst dich begnügen mit der untergeordneten, erkalteten und getheilten Zuneigung, die ich für gut befinden werde, dir zuzuwenden, und dabei sollst du alle die Huldigungen verschmähen, welche stärkere und zärtlichere Gefühle ausdrücken
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