Ueber Deutschland
Eloquenz, genügen nicht bei einer Kunst, die ihrem eigenthümlichen Wesen nach schöpferisch ist.] Die Deutschen bekennen sich zu einer Lehre, deren Tendenz es ist, den Enthusiasmus in den Künsten, wie in der Philosophie, wieder zu beleben, und man muß sie loben, wenn sie sie halten; denn das Jahrhundert ruht auch auf sie, und es giebt keines, in dem man geneigter gewesen wäre, das zu verachten, was nichts als schön ist, keines, in welchem man häufiger die Frage: wozu nützt es? die gewöhnlichste von allen, wiederholen hört.
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Drittes Capitel. Von den Haupt-Epochen der deutschen Literatur.
Die deutsche Literatur hatte nie, was man ein goldnes Zeitalter zu nennen pflegte: eine Epoche nämlich, wo die Fortschritte in den Wissenschaften durch den Schutz derer, die an der Spitze des Staates stehn, belebt werden. In Italien hat Leo der Zehnte, in Frankreich Ludwig der Vierzehnte, und im Alterthume haben Perikles und August ihre Namen ihren Zeitaltern aufgeprägt. So kann man auch die Regierung der Königin Anna als die glänzendste Bahn der Englischen Literatur betrachten; doch dies Volk, das durch sich selbst besteht, hat nie seine großen Männer seinen Königen verdankt. Deutschland war getheilt; es fand in Oestreich keine Liebe für die Wissenschaften, und in Friedrich dem Zweiten, der allein ganz Preußen war, kein Interesse für die deutschen Schriftsteller; die Wissenschaften waren in Deutschland also nie in einem Mittelpunkt vereinigt, und fanden keine Stütze im Staate. Vielleicht verdankt die Literatur dieser Isolirtheit, wie jener Unabhängigkeit, ihre größere Eigenthümlichkeit und Energie.
Schiller sagt von der deutschen Kunst:
Von dem größten deutschen Sohne,
Von des großen Friedrichs Throne
Ging sie schutzlos, ungeehrt.
Rühmend darfs der Deutsche sagen.
Höher darf das Herz ihm schlagen.
Selbst erschuf er sich den Werth.
Darum steigt in höhern Bogen,
Darum strömt in vollern Wogen
Deutscher Barden Hochgesang;
Und in eigner Fülle schwellend,
Und aus Herzenstiefe quellend,
Spottet er der Regeln Zwang.
[Die deutsche Muse.].
Doch mußte daraus, daß deutsche Gelehrte von ihren Regierungen keine Aufmunterung erhielten, die Folge entstehen, daß sie seit geraumer Zeit im verschiedenartigsten Sinne individuelle Versuche machten, und spät nur erst zu der wahrhaft merkwürdigen Epoche ihrer Literatur gelangt sind.
Seit einem Jahrtausend ist die deutsche Sprache, zuerst von Mönchen, dann von Rittern, dann von Handwerkern, wie Hans Sachs, Sebastian Brand und andern, um die Zeit der Annäherung der Reformation, endlich in den neuesten Zeiten von Gelehrten ausgebildet worden, die ihr die Fähigkeit gegeben, alle Feinheiten des Gedankens auszudrücken.
Wenn man die Werke prüft, aus welchen die deutsche Literatur besteht, so trifft man darin, nach dem Genie der Schriftsteller, die Spuren dieser verschiedenen Ausbildungen an, wie in den Bergen die verschiedenen Lagen der Steine, die von den Revolutionen der Erde zusammengehäuft worden. Der Stil ändert fast gänzlich seine Natur, je nachdem man einen oder den andern Schriftsteller betrachtet, und Ausländer sind genöthigt, bei jedem neuen Buche, das sie zu verstehen trachten, die Sprache von neuem zu studieren.
Die Deutschen hatten wie die meisten europäischen Nationen, in den Ritterzeiten Troubadours und Krieger, die Liebe und Schlachten sangen. Man hat in der neuesten Zeit ein Heldengedicht unter dem Namen: "der Nibelungen Lied" aufgefunden, dessen Entstehen in das dreizehnte Jahrhundert fällt. Man findet darin den Heroismus und die Treue, die die Menschen in jener Zeit auszeichnete, wo alles wahrhaft, stark und ausgesprochen war, wie die Urfarben der Natur. Die Sprache ist in diesem Gedichte klarer und einfacher, als die gegenwärtige, allgemeine Ideen waren damals noch nicht im Umschwung, man begnügte sich also damit, Charakterzüge zu erzählen. Die deutsche Nation war in jener Zeit unter allen Europäischen die kriegerischeste, und ihre alten Sagen sprechen von nichts, als festen Burgen und schönen Damen, für die man das Leben opferte. Als Maximilian später versuchte, den Rittersinn wieder zu beleben, hatte der menschliche Geist nicht mehr diese Richtung; damals fingen schon die religiösen Streitigkeiten an, die den Gedanken der Metaphysik zuwenden, und die Stärke der Seele mehr in Meinungen, als in Thaten, sichtbar werden lassen.
Luther vorzüglich war es, der seine Sprache
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