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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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darauf stürzen, aber die Priester stoßen sie zurück, weil sie, nicht seine Gattin, nicht das Recht habe, mit ihm zu sterben. Sie, nachdem sie alle Schmerzen der Liebe und der Scham durchgefühlt, springt wider den Willen der Braminen, in die Flammen, aus denen sie der Gott nun, nachdem er sie zu einem würdigen Gegenstande seiner Liebe gemacht, mit feurigen Armen zum Himmel emporträgt.
    Zelter, ein origineller Componist, hat zu diesem Gedichte eine Musik gesetzt, die abwechselnd wollüstig und feierlich, in besonders gutem Einklang mit den Worten steht, so daß man sich dabei mitten nach Indien unter dessen Wunder versetzt glaubt. Man sage mir nicht, daß eine Romanze ein zu kurzes Gedicht sey, um eine solche Wirkung hervorzubringen: die ersten Noten einer Arie, die ersten Verse eines Gedichts verpflanzen die Einbildungskraft in die Gegend und Zeit, die man darstellen will; wenn aber einige Worte diese Macht haben, so können einige Worte auch leicht diesen Zauber zerstören. Zauberer thaten, oder hemmten, sonst Wunder durch Hülfe einiger magischen Worte. Der gleiche Fall ist es mit dem Dichter, der die Vergangenheit heraufbeschwört, oder die Gegenwart wiedererscheinen läßt, je nachdem er Ausdrücke gebraucht, die für die Zeit oder das Land, die er besingt, passen, oder nicht, und die Localfarben und kleinen sinnreich erfundenen Umstände benutzt, die den Geist, in der Dichtung, wie in der Wirklichkeit, üben, die Wahrheit, ohne daß man sie, ausspreche, zu finden.
    Ein anderes Gedicht Göthe's, der Fischer, bringt eine herrliche Wirkung durch die einfachsten Mittel hervor. Ein Fischer sitzt an einem Sommerabende an dem Ufer eines Flusses, und schaut, indem er die Angel auswirft, in die klaren und durchsichtigen Fluthen, die seine nackten Füße sanft bespülen. Die Nymphe des Flusses ladet ihn ein, zu ihr nieder zu tauchen, sie mahlt ihm die Wonne des Aufenthalts im Wasser während der Hitze, die Labung, die die Sonne empfindet, wenn sie sich ins Meer senkt, die Ruhe des Mondes, wenn seine Strahlen auf den Wellen spielen und darauf entschlummern; der Fischer fühlt sich angezogen, verführt, hinunter gelockt, er nähert sich der Nymphe und verschwindet auf ewig. Der Stoff dieser Romanze ist nur geringfügig, aber die Art, die geheimnißvolle Gewalt, welche die Naturerscheinungen auf die Seele ausüben können, darzustellen, wahrhaft bezaubernd. Es giebt, sagt man, Personen, die in der Erde tief verborgene Quellen, durch die Nervenerschütterung, die sie ihnen verursachen, fühlen können; und in der deutschen Poesie glaubt man oft diese Wunder der Sympathie zwischen dem Menschen und den Elementen zu erkennen. Der deutsche Dichter versteht die Natur, nicht bloß als Dichter, sondern als ein Bruder, man mögte sagen, daß die Familienverhältnisse in seinem Herzen für die Luft, das Wasser, die Blumen und Bäume, kurz für alle Urschönheiten der Schöpfung sprechen.
    Es giebt wohl keinen, der nicht den unerklärlichen Reiz empfunden hätte, den die Wellen erregen, sey es durch die liebliche Kühlung, oder durch das Uebergewicht, welches eine gleichförmige und unaufhörliche Bewegung unbemerkt über eine vorübergehende, dem Untergang unterworfene Existenz gewinnen muß. Göthe's Romanze drückt auf wunderbare Weise das immer steigende Vergnügen aus, mit welchem man in die reinen Wellen eines Flusses schaut. Das Gleichgewicht des Rhythmus und der Harmonie ahmt dem Wellenschlage nach, und bringt auf die Einbildungskraft eine gleiche Wirkung hervor. Die Seele der Natur stellt sich uns von allen Seiten und unter tausendfältig verschiedenen Gestalten dar. Der fruchtreiche Acker, wie die Wüste, das Meer wie die Sterne, alle sind gleichen Gesetzen unterthan; und der Mensch verschließt in der eignen Brust Gefühle und verborgene Mächte, die mit dem Tage, der Nacht und dem Sturm in Beziehung stehen; diese geheime Verbindung unsers innersten Wesens mit den Wundern der Welt ist es, was der Dichtkunst ihre wahre Größe giebt. Der Dichter stellt die Einheit her zwischen der physischen und der moralischen Welt: seine Einbildungskraft knüpft zwischen beiden das Band.
    Mehrere einzelne Gedichte Göthe's sind voll Heiterkeit; selten aber nur findet man darin die Gattung des Scherzes, an welche wir gewöhnt sind: es sind komische Bilder, nicht Lächerlichkeiten, die seine Einbildungskraft anregen; so weiß er mit einem besonderen Instinkt die Originalität der Thiere, die immer neu und immer die nämliche ist,

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