Ueber Deutschland
Aehnlichkeit überrascht. Der eindringliche Reiz von Salis Gedichten erweckt eine Liebe für den Verfasser, als ob man zu seinen Freunden gehörte. Tiedge ist ein moralischer, reiner Dichter, dessen Schriften die Seele zum religiösesten Gefühl erheben. Endlich müßte ich hier noch eine große Menge von Dichtern anführen, wenn es möglich wäre, alle die lobenswürdigen Namen aus einem Lande zu nennen, wo die Poesie allen gebildeten Geistern so natürlich ist.
A. W. Schlegel, dessen literarische Meinungen in Deutschland so viel Aufsehn erregt haben, erlaubt sich in seinen Poesieen nicht den geringsten Ausdruck, nicht die kleinste Wendung, welche die strengste Geschmacks-Theorie tadeln könnte. Seine Todtenopfer , sein Bund der Kirche mit den Künsten , seine Elegie Rom , sind mit der gehaltensten Zartheit und mit gleichem Adel geschrieben. Die nachstehenden Proben können dazu dienen den Charakter dieses Dichters zu bezeichnen. Die Idee des Sonnets scheint mir überaus reizend.
Anhänglichkeit.
Oft will die Seele ihre Flügel dehnen,
Gestärkt von der Betrachtung reiner Speise:
Ihr dünkt, im engen wiederholten Gleise,
Ihr Thun vergeblich, und ihr Wissen Wähnen.
Sie fühlet tief ein unbezwinglich Sehnen
Nach höhern Welten, frei vom Thatenkreise,
Und glaubt am Schluß der Bahn nach ird'scher Weise,
Roll' erst der Vorhang auf zu lichtern Scenen.
Doch rührt der Tod den Leib ihr, daß sie scheide,
So schaudert sie, und sieht zurück mit Zagen
Auf Erdenlust, und sterbliche Gespielen.
Wie einst Proserpina, von Enna's Weide
In Pluto's Arm entführt, kindlich im Klagen,
Um Blumen weinte, die dem Schooß entfielen.
In dem jetzt folgenden Gedichte Lebensmelodieen werden der Schwan und der Adler einander entgegengesetzt, der eine als Sinnbild des beschaulichen, und der andre, des thätigen Lebens; die wahrhaften Schönheiten der Harmonie finden sich auch in diesem Gedichte, nicht der nachahmenden Harmonie, sondern der inneren Musik der Seele. Die Rührung trifft diese ohne das Nachdenken, und das denkende Talent macht Poesie daraus.
Der Schwan.
Auf den Wassern wohnt mein stilles Leben,
Zieht nur gleiche Kreise, die verschweben,
Und mir schwindet nie im feuchten Spiegel
Der gebogne Hals und die Gestalt.
Der Adler.
Ich haus' in den felsigen Klüften,
Ich braus' in den stürmenden Lüften
Vertrauend dem schlagenden Flügel
Bei Jagd und Kampf und Gewalt.
Der Schwan.
Mich erquickt das Blau der heitern Lüfte,
Mich berauschen süß des Kalmus Düfte,
Wenn ich in dem Glanz der Abendröthe
Weich, befiedert wiege meine Brust.
Der Adler.
Ich jauchze daher in Gewittern,
Wenn unten den Wald sie zersplittern;
Ich frage den Blitz, ob er tödte,
Mit fröhlich vernichtender Lust.
Der Schwan.
Von Apollo's Winken eingeladen,
Darf ich mich in Wohllautströmen baden,
Ihm geschmiegt zu Füßen, wenn die Lieder
Tönend wehn in Tempe's Mai hinab.
Der Adler.
Ich throne bei Jupiters Sitze;
Er winkt und ich hol' ihm die Blitze,
Dann senk' ich im Schlaf das Gefieder
Auf seinen gebietenden Stab.
Der Schwan.
Von der sel'gen Götter Kraft durchdrungen,
Hab' ich mich um Leda's Schooß geschlungen;
Schmeichelnd drückten mich die zarten Hände,
Als ihr Sinn in Wonne sich verlor.
Der Adler.
Ich kam aus den Wolken geschossen,
Entriß ihr den blöden Genossen:
Ich trug in den Klauen behende
Zum Olymp Ganymeden empor.
Der Schwan.
So gebahr sie freundliche Naturen,
Helena und euch, ihr Dioskuren,
Milde Sterne, deren Brüdertugend
Wechselnd Schattenwelt und Himmel theilt.
Der Adler.
Nun tränkt aus nektarischem Becher
Der Jüngling die ewigen Zecher;
Nie bräunt sich die Wange der Jugend,
Wie endlos die Zeit auch enteilt.
Der Schwan.
Ahndevoll betracht' ich oft die Sterne,
In der Flut die tiefgewölbte Ferne,
Und mich zieht ein innig rührend Sehnen
Aus der Heimath in ein himmlisch Land.
Der Adler.
Ich wandte die Flüge mit Wonne
Schon früh zur unsterblichen Sonne,
Kann nie an den Staub mich gewöhnen.
Ich bin mit den Göttern verwandt.
Der Schwan.
Willig weicht dem Tod ein sanftes Leben;
Wenn sich meiner Glieder Band' entweben,
Lös't die Zunge sich: melodisch feiert
Jeder Hauch den heil'gen Augenblick.
Der Adler.
Die Fackel der Todten verjünget;
Ein blühender Phönix, entschwinget
Die Seele sich frei und entschleiert,
Und grüßet ihr göttliches Glück.
Es verdient bemerkt zu werden, daß der Geschmack der Nationen im Allgemeinen, in der dramatischen Kunst verschiedenartiger ist, als in jedem andern Zweige der Literatur. Ich werde
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