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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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und laß,
    Laß uns sehn, wie froh die Götter sind.

    So beschwört er sie, sich ihm zu ergeben, doch sie antwortet ihm:
Ferne bleib', o Jüngling! bleibe stehen;
    Ich gehöre nicht den Freuden an;
    Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen,
    Durch der guten Mutter kranken Wahn,
    Die genesend schwur:
    Jugend und Natur
    Sey dem Himmel künftig unterthan.

    Und der alten Götter bunt Gewimmel
    Hat sogleich das stille Haus geleert;
    Unsichtbar wird Einer nur im Himmel,
    Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
    Opfer fallen hier
    Weder Lamm noch Stier,
    Aber Menschenopfer unerhört.

    Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:
    Ach! wie ungern seh' ich dich gequält!
    Aber, ach! berührst du meine Glieder,
    Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt.
    Wie der Schnee so weiß, 
    Aber kalt wie Eis,
    Ist das Liebchen, das du dir erwählt.

    Um die Geisterstunde scheint die Jungfrau wohlgemuther zu werden, sie schlürft gierig dunkel blutgefärbten Wein, ähnlich dem, den die Schatten in der Odyssee tranken, um sich ihre Erinnerungen wieder hervorzurufen;
Doch vom Weizenbrod,
    Das er freundlich bot,
    Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.

    Sie reicht dann ihrem Verlobten eine goldne Kette dar, und verlangt von ihm eine Locke; der Jüngling, hingerissen von der Schönheit des Mädchens, schließt sie mit Inbrunst in seine Arme:
Hoffe doch bei mir noch zu erwarmen,
    Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!

    ruft er aus, und
Seine Liebeswuth
    Wärmt ihr starres Blut,
    Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.

    Dies ist die ungeheuerste Scene, die eine fieberhafte Phantasie sich malen konnte, ein Gemisch von Lieb' und Grausen, eine furchtbare Ehe zwischen Leben und Tod. Es ist eine Art von Leichen-Wollust in diesem Gemälde, wo die Liebe mit dem Grab ein Bündniß schließt, und die Schönheit selbst nur wie eine Schauder erregende Erscheinung auftritt.
    Endlich kommt die Mutter hinzu, und in der Meinung, daß eine ihrer Sclavinnen zu dem Fremden eingedrungen ist, will sie sich ihrem gerechten Zorn überlassen; aber die Tochter
– – – windet gleich sich selbst hervor;
    Wie mit Geist's Gewalt,
    Hebet die Gestalt,
    Hoch und langsam sich im Bett empor.

    Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte:
    So mißgönnt Ihr mir die schöne Nacht!
    Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte.
    Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
    Ist's Euch nicht genug,
    Daß in's Leichentuch,
    Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?

    Aber aus der schwerbedrängten Enge
    Treibet mich ein eigenes Gericht.
    Eurer Priester summende Gesänge,
    Und ihr Segen haben kein Gewicht;
    Salz und Wasser kühlt
    Nicht, wo Jugend fühlt;
    Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.

    Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
    Als noch Venus heitrer Tempel stand.
    Mutter! habt Ihr doch das Wort gebrochen,
    Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' Euch band!
    Doch kein Gott erhört,
    Wenn die Mutter schwört,
    Zu versagen ihrer Tochter Hand.

    Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;
    Du versiechest nun an diesem Ort.
    Meine Kette hab' ich dir gegeben;
    Deine Locke nehm' ich mit mir fort.
    Sieh sie an genau,
    Morgen bist du grau,
    Und nur braun erscheinst du wieder dort.

    Höre, Mutter! nun die letzte Bitte:
    Einen Scheiterhaufen schichte du;
    Oeffne meine bange kleine Hütte,
    Bring' in Flammen Liebende zur Ruh.
    Wenn der Funke sprüht,
    Wenn die Asche glüht,
    Eilen wir den alten Göttern zu.

    Allerdings muß ein reiner und strenger Geschmack viel an diesem Stücke zu tadeln finden, aber liest man es im Original, so ist es unmöglich, die Kunst nicht zu bewundern, mit welcher jedes Wort ein steigendes Entsetzen erregt, und das Schrecklich-Wunderbare der Situation andeutet, ohne sie zu erklären. Eine Geschichte, wovon nichts eine Idee geben kann, erscheint, mit so treffenden und natürlichen Details ausgemalt, wie eine wirklich sich ereignende Thatsache, und die Neugier wird immer reger, ohne daß man einen einzigen Umstand aufopfern möchte, sie früher, befriedigt zu sehen.
    Dessen ungeachtet ist dies Stück unter den kleineren Werken der berühmten deutschen Dichter wohl das einzige, gegen welches der französische Geschmack etwas zu erinnern haben dürfte: in allen andern scheinen beide Nationen gleicher Meinung. Der Dichter Jacobi hat in seinen Versen beinahe das Pikante und Leichte Gressets. Matthisson hat der beschreibenden Poesie, deren Züge oft zu unbestimmt waren, den Charakter eines Gemäldes gegeben, das eben so sehr durch Colorit als durch

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