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Ueber die Liebe und den Hass

Ueber die Liebe und den Hass

Titel: Ueber die Liebe und den Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachida Lamrabet
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Tageslicht mit einer sanften, fließenden Geste hereinließen. Oft bekam man noch einen weiten Panaromablick mit dazu. Doch das waren Wohnungen, für die unsere beiden Einkommen lange nicht ausreichten.
    Und dann gab es auch noch Vermieter, die keine Angst vor Haustieren hatten, defekten Leitungen oder misanthropischen Berufsnörglern älteren Jahrgangs, aber sehr wohl vor Menschen, die anders aussahen. Vermieter, die eine dunkle Hautfarbe mit scharfen Currygerüchen, qualmendem Lammkebab und täglich abgehenden Partys im Haus assoziierten. Sie waren der festen Überzeugung, innerhalb kürzester Zeit würde das komplette Wohnhaus von Menschen eingenommen, die fünfmal am Tag zum Gebet im Treppenhaus aufriefen. Und obwohl Katja an meiner Seite war, trauten sie dem Frieden nicht. Einige unter ihnen schienen es zu bedauern, dass Katja nicht allein war, taten so, als wäre ich das einzige Hindernis, das sich zwischen ihr und der Wohnung befand. »Wissen Sie, die Nachbarn, die Nachbarn schätzen das nicht«, sagte einer von ihnen. Die meisten täuschten Bedauern vor, weil die Wohnung offenbar bereits vermietet war, ein Kommunikationsproblem zwischen dem Makler und den neuen Mietern. »Tut uns leid.«
    Ein Vermieter starrte mich die ganze Zeit über an, während er mit Katja sprach. Ich kam mir in seinen Augen wie ein Objekt vor. Ich bildete mir ein, er würde nicht davor zurückschrecken, Katja einen unsittlichen Antrag zu machen. »Die ersten drei Monate komplett gratis, wenn du ihn loswirst.«
    Deshalb hatten wir inzwischen einen anderen Kurs eingeschlagen. Wir wollten uns gleich ein Haus kaufen.
    Wir hatten ein schönes Haus gefunden, von einer älteren Dame. Es musste komplett renoviert werden, aber uns gefiel es. Es eröffnete Möglichkeiten.
    Die Verhandlungen befanden sich bereits in der Endphase. Wir hatten uns über den Preis einigen können, und es gab keine weiteren Interessenten.
    Sooft wir wollten, konnten wir vorbeikommen, damit wir das Haus gut auf uns einwirken lassen konnten.
    Die Eigentümerin empfing uns gern. Sie quasselte ununterbrochen über alles und nichts und machte uns einen Kaffee aus Zichorie. Es war wunderbar, dort mit Katja herumzugehen, in dem verstaubten, abgewohnten Haus mit den alten Möbeln und den verblassten Tapeten. In den muffigen Räumen entwarfen wir den vollendeten Film unseres Lebens. »Das hier wird das Zimmer unserer ersten Tochter, Nour. Die Spitzengardinen lassen wir hängen, was meinst du?«
    »Du überspringst ein paar Kapitel, du musst bei dem Master Bedroom und dem Kingsize Bed anfangen.«
    Katja umarmte mich stürmisch und gab mir einen Kuss.
    Mein Vater tat so, als würde er von allem nichts mitbekommen. Er sprach nie viel, aber nun hatte er eine Falte auf der Stirn, wenn er mich ansah. Meine Mutter sagte, ihm sei nicht wohl bei dem Gedanken. Ihm wäre es lieber, ich würde nicht damit weitermachen. Er war überzeugt, eine solche Ehe sei zum Scheitern verurteilt. Dass es Probleme geben würde, wenn Kinder kämen.
    »Hast du ihm gesagt, dass Katja ein liebes Mädchen ist, sehr respektvoll? Ich bin mir sicher, dass die beiden gut miteinander auskommen werden.«
    Meine Mutter schüttelte den Kopf. »Weißt du, dass es bei uns auch sehr liebe und respektvolle Mädchen gibt?«
    Ich hatte meine Mutter beauftragt, meinen Vater zu bitten, sich das Haus einmal gemeinsam mit uns anzuschauen. Er sagte immer: »Wichtige Entscheidungen sollt ihr niemals allein treffen. Ich habe vielleicht nicht die Ausbildung, die ihr habt, aber ich kann euch etwas beibringen.«
    Sie hatte ihn lange dazu drängen müssen, aber ein paar Tage später kam er auf mich zu und meinte, er würde sich das Haus gern einmal ansehen.
    Ich traute mich fast nicht zu atmen, als er die Zimmer inspizierte.
    »Ein solider Bau, der Keller ist trocken, und das Dach hält auch noch eine Weile, ein gutes Haus.«
    »Also ein Schnäppchen?«
    »Für Schnäppchen auf dem Immobilienmarkt bist du zehn Jahre zu spät dran, mein Sohn.«
    Ich war bereits überglücklich, dass er mit mir gekommen war, um das Haus zu besichtigen. Für mich bedeutete das ein stillschweigendes Einverständnis mit allem, womit ich gerade beschäftigt war. Ich konnte meine Pläne also fortsetzen.
    Katja konnte nicht richtig nachvollziehen, weshalb mir sein Einverständnis so wichtig war. Schließlich war es mein Leben, und wir lebten doch im einundzwanzigsten Jahrhundert.
    »Und wenn er nun gesagt hätte: ›Nur über meine Leiche‹? Wenn er seinen

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