Ueber die Verhaeltnisse
sogar er versuchen, einem zu imponieren.«
Aus dem Chef wächst der Bär heraus. Nicht der russische, sondern der innerliche. Die Baisse in der Volksstimmung als Aufwind nützend, fährt er mit dem Blitz drein, gemeinsam mit dem jungen Mann, sie beide zusammengespült von dem Wasser, das ihnen bis zum Hals steht. Eine radikale Lösung, soweit die Wurzeln nicht längst schon gezogen sind, und kaum ist das Paket auf dem Tisch, jaulen die Fremden und die Eigenen, Popen gegen Olympier, daß die Federn fliegen.
Vielerlei Senf wird nun auf die verspielten Würstl gespritzt. Des Chefs Umarmung erweist sich als Würgegriff für einige Spitzenmanager, doch sind insgesamt zu wenig Figuren auf dem Brett, und so werden die Erdrosselten nur hin und her geschoben. »Eine nationale Spezialität«, wie ein Möchtegern-Titanaus der dritten Garnitur bei einem randvollen Slibowitz an der Theke des SPANFERKELS beschwört.
Der junge Mann aber übt sich bereits in den Sprachgepflogenheiten der neuen Linie sowie im Gesundbeten und in der Ablöschung des Teufels von der Wand.
Noch schwankt der Boden, und aus seinen Spalten hebt nicht nur die christliche Hydra den Kopf, sondern auch die Verfechter der eigenen alten Linie. Dazwischen flackert auch noch der Heiligenschein der reinen Lehre als Irrwisch über den Köpfen und bringt selbst den Chef gelegentlich zum Blinzeln.
Die alten Spiele haben sich aufgehört, und wenn der Chef jetzt – selten genug – ins SPANFERKEL kommt, dann zugleich mit seinen Bewachungs-Lakaien. Sogar deren Bier zahlt er im vorhinein. Im Extrazimmer murrt er dann schicksalsträchtig in seinen Humpen, so daß Mela ihn kaum besänftigen kann. Am liebsten, sagt er, würde er sich einen Bart wachsen lassen, um seine Entschlossenheit entsprechend zu demonstrieren, aber so direkte Anspielungen auf die Vorgeschichte kann er sich auch wieder nicht leisten.
Die letzten Moospolster, auf die man noch hat hüpfen können, verschwinden im Sumpf, es hilft also nur eins, durchgreifen, aber wohin ihn die Hand auch führt, er bekommt nichts als Nichts zu fassen, das mit einem Knall entweicht wie die Nicht-Luft aus dem vakuumverpackten Bohnenkaffee-Sackerl.
Es ist, als ob alles aus dem Leim ginge, wie ein Pullover, in dem heimlich die Motten gehaust haben. Man sieht nicht viel, denkt, was soll schon sein, zieht ihn an, und überall laufen die Maschen.
Sein Ganymed, Meister des mundgerechten Aberwitzes und Einbläser in Sachen Image, vergreift sich immer häufiger in der Art der Präsentation, aber der Adler kommt undkommt nicht, der ihn sang- und klanglos zu anderen Aufgaben hinwegraffte.
Was sich die Oper nur alle paar Jahre zu spielen getraut, die Götterdämmerung, schickt ihr Zwielicht voraus, doch die in aller Eile aufgestellten Scheinwerfer zeigen nur das Wackeln der Styropor-Kulissen. Und der Altvater kommentiert mit aufsprudelndem Redefluß das träge vor sich hin stinkende Schlamassel.
Wessen immer Mela sich auch unterfängt, den Chef zum Lachen zu bringen – sie will es noch einmal hören, vergleichsweise –, sie bringt nicht einmal das Heben der Mundwinkel zustande, vom hängenden Schnabel gar nicht zu reden.
Mela schwant auch jenseits der staatlicherseitigen Misere Verlust und Unheil. Frô wendet und wendet sich, was ihr zwar gut steht, aber dadurch nichts an Unheimlichkeit einbüßt. Mela tappt in sich selber herum, sucht nach verborgenen Winkeln, die ihr das Kind erklären sollen, aber alles bleibt finster.
Nur das SPANFERKEL gedeiht. Die Leute haben genügend Gesprächsstoff, den sie hinunterspülen müssen. So steigt ihr Umsatz – als einzig trockene Insel – aus dem überhandnehmenden Morast.
Vor der Dreifaltigkeitssäule nahm Borisch einen Bus und fuhr damit bis zum Moszkva-Platz. Dort stieg sie in die Straßenbahn Richtung Pest. Ohne bestimmtes Ziel, aber das sagt sich so leicht. Sie schloß die Augen und öffnete sie nur an den Stationen, prüfend, ob sie richtig geraten hatte.
Sie konnte die Leute miteinander reden hören und hatte das Gefühl, als sprächen sie nur, um von ihr gehört zu werden, wie im Theater. Natürlich war ihr die Sprache vertraut, aber sie war ihr schon längst nicht mehr alltäglich.
Sie fuhren gemächlich den Ring entlang. Plötzlich stand Borisch auf und tastete sich blind zur Tür. Erst als die Tür sich geöffnet hatte, schaute sie wieder. Das Blut schoß ihr in den Kopf. Sie hatte es längst geahnt, es sich nur nicht zugegeben. Aber jetzt war es schon egal, jetzt
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