Ueber die Verhaeltnisse
Katastrophe.«
»Wackel nicht so prophetisch mit dem Kopf.« Borisch klingt schon ziemlich entnervt. »Als Mutter weiß man das nie. Du kannst mir glauben, da habe ich Erfahrung.«
Langsam sinkt Edvards Körper auf die Bank. Im Verdämmern reckt er den Kopf nach dem einen Kissen, aber das Kissen lehnt an der Wand. Als er es mit dem Ohr erreicht hat, drückt er es durch mehrere Drehungen des Kopfes unter sich, und befriedigt entweicht sein Atem in einem ersten Schnarcher.
Langsam läßt Mela den Rest des Wodkas hinunterrinnen. »Das verzeih ich ihm nie! Diesem Kerl!«
»Du spinnst!« Borisch umarmt sie. »Und machen kannst du gar nichts. Höchstens ein freundliches Gesicht.«
Mela seufzt im Aufstehen so laut, daß sie Edvards Schnarchen für einen Augenblick übertönt. »Soll ich dir helfen?« fragt sie zuletzt, schon fast an der Tür.
»Wenn du noch kannst.«
Für einen Augenblick ist Mela wieder die alte. »Lächerlich!« Und dann packen sie beide je einen Teil von Edvard, stellen ihn mühsam auf die Beine und schleppen ihn mehr, als daß sie ihn stützen, ins bereits aufgeschlagene Bett.
»Wir schnappen ihn uns und wie«, schreit Edvard aus seinem tiefen Schlaf.
»Und dafür der ganze lebenslängliche Aufwand«, seufzt Borisch, während sie Edvard die Kleider vom Leib zieht.
Bei Mela reicht es nur zu einem schiefen Lacher.
Frô hatte genau drei Tage Zeit gehabt, um nachzudenken, bevor sie sich das nächste Mal mit Heyn traf. Er kam ein paar Minuten zu früh, und sie bat ihn in die Wohnung.
»Einen Aperitif?« fragte sie, wie sie es auch tat, wenn sie im SPANFERKEL aushelfen mußte. Lächelnd entschied er sich für ein Glas Sherry.
Das Fernsehen im Wohnzimmer war noch eingeschaltet, und im Verlauf der Nachrichten gab es auch ein kurzes Gespräch mit dem jungen Mann, der sich noch immer zuversichtlich zur Lage äußerte, und sie lächelten beide ein wenig distanziert, obgleich sie aufmerksam hinsahen.
Frô hatte lange gezögert, bevor sie das schwarze Kleid anzog, das sie sich für Weihnachten gekauft hatte, aber sie war sicher, daß sie ihre Mutter an diesem Tag nicht mehr sehen würde. Sie wirkte streng und schön, sogar ein wenig steif, aber das war, weil sie sich entschlossen hatte. Nicht daß sie genau hätte erklären können, wozu, aber die Gewißheit, einen Entschluß gefaßt zu haben, ließ sie sich aufrechter halten als sonst.
Sie hatte Heyn beim Hereinkommen den Mantel abgenommen, und der Duft seines Rasierwassers schlug ihr daraus entgegen. Sie hätte ihn gerne berührt, aber die neue Gemessenheit in ihren Bewegungen ließ es nicht zu.
Die Tür zu ihrem Zimmer stand offen, und während sie hineinging, um ihre Handtasche zu holen, folgte er ihr mit dem Glas in der Hand bis zur Schwelle.
Sie machte sich absichtlich einen Moment an ihrem Toilettentisch zu schaffen, um ihm Einblick zu gewähren. Als sie sich nach ihm umdrehte, merkte sie, daß er nicht ihr Zimmer, sondern sie ansah, mit jenem Blick, den sie noch immer an ihm fürchtete. Da zwang sie sich, über seine Schulter hinwegzuschauen, so als stehe hinter ihm noch jemand, und für den Bruchteil einer Sekunde fiel er darauf herein. Sie konnte sich also schützen, wenn sie wollte.
»Darf ich?« fragte er und kam näher. Ihre Pflanze hatte dieganze Wand und eines der Fenster überrankt, und darunter stand ein blühender Aronstab, den sie erst vor kurzem gekauft hatte. Sie zeigte ihm ihre Bücher und ihre Schallplatten, und während sie ihn fragte, welche Musik er gern höre, griff er nach ihrer alten Kasperlpuppe, zog sie sich über die Hand, schlug mit den Händen der Puppe leicht gegen seinen Kopf und ließ den Kasperl sagen: »Verschwinde, du böses Krokodil, geh zum Teufel!« Sie aber stellte sich als Prinzessin und rief: »Laß ihn, er ist ein Prinz, der als Krokodil von der Wand gefallen ist.« Im selben Augenblick hielt sie sich die Hand vor den Mund, als könne sie den Prinzen dahin zurückstopfen.
Heyn griff nach ihrer Hand und zog sie so rasch zu sich, daß ihre neue Gemessenheit nicht zum Einsatz kommen konnte. Dann setzte er sein Glas an ihre Lippen, und sie mußte trinken, worauf auch er einen Schluck nahm. »Frô«, sagte er, und es war das erste Mal, daß er sie beim Namen nannte.
Sie gingen zusammen zur Tür, und bevor sie das Licht ausmachte, schaute sie sich noch einmal um. Ihr Zimmer kam ihr klein und seine Einrichtung kindlich vor, mit dem vielen Weiß und Hellblau. Es war all die Jahre hindurch das Kinderzimmer
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