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Ueber die Verhaeltnisse

Ueber die Verhaeltnisse

Titel: Ueber die Verhaeltnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Frischmuth
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ihrer Antwort schwang der ganze Widerwille gegen ihre Serviceleistung im SPANFERKEL mit, und Heyn sah sie belustigt an.
    »Da habe ich ja Glück gehabt, daß ich ein besonderer Fall war.«
    »Warum?« Sie fragte es mit der Arglosigkeit, mit der man in eine Falle geht.
    Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie in einem Lachenkurz an sich. »Weil ich Sie sonst gar nicht kennen würde.« Dann gingen sie wieder nebeneinander her, so als sei es selbstverständlich, daß sie ihm folgte, wohin immer er sie führte, ohne daß sie auch nur mit einem Wort auf seine Frage nach dem Imbiß geantwortet hätte. Er habe leider nur zwei Stunden Zeit, sagte Heyn, nachdem sie in einem kleinen, grün ausgeleuchteten Restaurant ihre Pizzas bestellt hatten. Da sei noch eine wichtige Verabredung, die er nicht absagen könne, aber wenn sie an einem der nächsten Abende Zeit habe, würde er gerne einmal schön mit ihr essen gehen. Schön und in Ruhe.
    Es kostete Frô eine ungeheure Anstrengung, ihre Sätze weiterzuführen. Aber sie ließ nicht nach darin, hütete sich sogar vor längeren Gesprächspausen und erinnerte sich der Gefahr der Augen, deren Grün im Grün der Beleuchtung verblaßt war. Als sie nochmals auf den Film zu sprechen kamen, sagte er, daß er seinen nächsten Posten in der Türkei antreten werde.
    »Und wann?« Sie war verwundert, wie zwanglos sie das gefragt hatte und wie schnell. Aber etwas in ihr schlug Alarm.
    »In vier bis fünf Wochen«, meinte er, »und bis dahin habe ich noch so vieles zu erledigen.«
    »Und diese Fremde macht Ihnen nichts aus?« Ihre Gedanken verwirrten sich mit den Bildern des Films, und sie sah Heyn in einem orientalischen Gefängnis, mit einem kleinen Vogelkäfig an der Wand, an dem vorbei er durch ein vergittertes Fenster blickte.
    Heyn lächelte. »Fremde ist ein relativer Begriff. Ich habe einen Teil meiner Kindheit in diesem Land verbracht. Mein Vater hat sich als Ingenieur dort niedergelassen.« Und dann beugte er sich zu ihr und sagte, als sei es ein Geheimnis, das auf sie möglicherweise etwas lächerlich wirkte, »meine Mutter war Türkin«.
    Sie erschrak vor diesem Anschein von Vertrautheit, der sich aus seinem Vorbeugen ergab. Er mißdeutete es offensichtlich und lehnte sich spöttisch zurück. »Und im Gegensatz zu meinem Bruder sieht man es mir wohl auch an.« Und da sie sich noch immer nicht ganz beruhigt hatte, fügte er wie als Provokation hinzu: »Eigentlich heiße ich Ayhan. Aber zur Vorsicht hat man mich auch noch Klemens genannt, das nimmt sich im Amt besser aus.«
    Sie machte gar nicht erst den Versuch, ihr Erschrecken zu erklären, suchte nur krampfhaft nach einem Satz, der daran anschließen konnte, und brachte doch nur diesen Namen heraus: »Ayhan!«
    »Das haben Sie schön gesagt.« Er spielte jetzt mit ihrer Verwirrung. »Es heißt Khan des Mondes, aber das bedeutet hier nichts.« Sie blickte auf die großen Halbmonde an seinen Fingernägeln und kaute an ihrer Pizza. Er prostete ihr zu, und sie war dankbar für den Schluck Wein, der sie für kurze Zeit der Mühe einer weiteren Frage entband.
    Später, als Heyn sich beim Hintereingang zum SPANFERKEL von ihr verabschiedete, hoffte sie, er werde irgend etwas in der Art ihrer sonstigen Freunde tun, sie umarmen oder auf die Wangen küssen. Aber er stand nur da und betrachtete sie mit einem Blick, der an ihr festzuwachsen schien und den sie sich nicht zu erwidern getraute. Als sie ihm schließlich die Hand entgegenstreckte, weil einfach irgend etwas zu geschehen hatte, nahm er sie, schob den Handschuh, der sie bedeckte, mit einer derart besitzergreifenden Geste zurück, daß sie sich dadurch wie verletzt fühlte, und küßte die Innenfläche. Dann war er plötzlich verschwunden, während sie ihre Hand noch immer weit von sich hielt.

    »Selbst wenn ich das alles bedenke, für möglich halte und berücksichtige, es ändert nichts an der Tatsache: das Kind ist weg!« Melas Stimme vibriert verdächtig, und ihre Schultern zucken unter Borischs trostgewichtigem Arm.
    Edvard, der lange nach seinen Hausschuhen getastet hat, erhebt sich schlapfenden Schrittes, hält sich eine Weile an der Lehne des Stuhls fest, den er dabei ein bißchen weiter in die Zimmermitte schiebt, um sich dann mit einem kräftigen Ruck in Richtung Kühlschrank abzustoßen. Gut gezielt, Gospodin! Er landet mit beiden Händen an der Kühlschranktür und zieht sie im Rückschwingen auf. Licht schwappt hervor und bricht sich an der glasklaren Flasche

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