Ueber die Verhaeltnisse
bevor diese mit ihrer Arbeit im Hotel fertig sei und nach Hause gehe.
Auf der Straße draußen habe sie sich dann einen Augenblick lang wie ausgesetzt gefühlt und kaum die Füße heben können. Erst als sie sich in einer spiegelnden Auslagscheibe nicht sofort aus den wie sie gekleideten Frauen, die vor, neben und hinter ihr hergingen, herauskennen habe können, sei sie sicherer geworden, und es sei ihr aufgefallen, daß all diese Frauen mit einer auffälligen Zielgerichtetheit durch die Straßen gingen, ja geradezu flatterten, so als seien ihre Wege von Bodenmarkierungen vorgezeichnet.
Da sie sich noch nicht überlegt gehabt habe, wohin sie eigentlich wollte, habe sie sich, um nicht sofort als verkleidet erkannt zu werden, in die Richtung gewandt, in die die meisten dieser Frauen gingen, und in Kürze habe sie selber eine Art von Sog verspürt, beinah so etwas wie ein unsichtbares Fließband, auf dem sie mehr gestanden als gegangen sei.
Dann habe sich zu dem ihr bereits bekannten Geruch ein neuer Bestandteil gemischt, nämlich Lauch, und gerade als siesich dessen bewußt geworden sei, habe sich die Straße zu einer Art Platz erweitert, auf dem Markt gehalten wurde. Und all die in Schwarz oder sonstige gedeckte Farben gekleideten Frauen hätten sich in eine Spiralbewegung geschickt, die sie an den äußeren Gemüseständen vorbei bis zu den Obst- und Gewürzverkäufern in der Mitte des Platzes gezogen und von dort mit gefüllten Taschen in die entgegengesetzte Richtung wieder zurück in die Straßen geschoben habe.
Auch sie habe sich dieser Art von Fortbewegung nicht entgegenstellen können, habe sich aber nirgendwo aufgehalten und sei dann in eine Straße gelangt, in der die Handwerker ihre Waren feilboten. Da sie nichts habe kaufen wollen, sei sie einfach dem hellen Ping Ping der Kupferschmiede nachgegangen, habe wohl auch das eine oder andere mit arabischen Schriftzeichen versehene Tablett betrachtet, aber nie lange genug, um in den Laden gebeten zu werden. Einige dieser Kupfergefäße hätten sogar dermaßen geglänzt, daß sie ihr schwarz verhangenes Gesicht darin habe erkennen können. Sie sei so nahe daran gewesen, daß es keinen Zweifel habe geben können, daß sie es war. Zum Glück seien mehrere Kunden in dem Laden gewesen, und so sei man auf sie nicht aufmerksam geworden. Auch habe sie sich des Eindrucks nicht erwehren können, daß es dabei um mehr als um Kupfertöpfe gegangen wäre. Nach und nach aber habe sie sich geradezu wohl in dem schwarzen Überkleid gefühlt, und wann immer der Wind ihr den Sand gegen die Augen trieb, habe sie einfach den Zipfel ganz vorgezogen und sich dadurch schützen können.
Danach sei sie dann wieder auf die Hauptstraße zurück, die an dieser Stelle leicht zu der alten seldschukischen Koranschule, die sie ja schon gemeinsam besichtigt hätten, ansteigt, und während sie, nun schon einigermaßen an das zielstrebigeGehen gewöhnt, an den Schmuckläden vorbeigegangen sei, ohne ihnen besonderes Augenmerk zu schenken, habe sie plötzlich, vom Hügel herunterkommend, eine Frau zu Pferd gesehen, mit beinah freiem Gesicht, das nur von einem weißen Tuch umrahmt war, und in einem bunten Kleid. Gewiß eine Kurdin, habe sie gedacht, sich an die Reiter erinnernd, die er ihr bei der Herfahrt gezeigt habe, und als die Frau nahe genug gewesen sei, daß sie ihr in die Augen habe blicken können, habe sie plötzlich gespürt, daß die Reiterin sie gezielt ansehe, so als habe sie die Verkleidung längst durchschaut. Und ihr sei vorgekommen, als sehe sie die Reiterin nicht nur gezielt an, sondern als forme sie mit den Augen auch eine Frage, der sie mit der Hand zu Hilfe kam, indem sie kaum merklich, aber doch auf einen Gegenstand vor sich auf dem Sattel gedeutet habe, der sich erst bei näherem Hinsehen als Gewehr entpuppte, so unscheinbar und so selbstverständlich habe er sich in das gesamte Erscheinungsbild gefügt.
Und natürlich habe sie ein leises Erschrecken ihrerseits nicht verhehlen können, das sich in ihren Augen wohl auch gespiegelt haben mußte, denn die Reiterin habe ihren Blick sofort ins Unverbindliche zurückgenommen und sei – das Pferd ein wenig treibend – an ihr vorbei in Richtung Markt geritten, gefolgt von einem jungen Mann, den sie, Frô, erst jetzt bemerkt habe, vielleicht ihrem Sohn, der noch ein zweites Pferd, ein Packpferd, hinter sich herführte.
Das Bild dieser Berittenen und deren geblickte Frage habe sie den ganzen Rückweg zum Hotel über nicht mehr
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