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Ueber die Verhaeltnisse

Ueber die Verhaeltnisse

Titel: Ueber die Verhaeltnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Frischmuth
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nein, keinen Wein, dazu sind sie zu weit im Osten, aber vielleicht Tonicwasser oder Coca-Cola, und sie besprechen den Rückflug. Mein Bruder muß seinen Verhandlungspartner morgen noch einmal sehen, im schlimmsten Fall übermorgen ein letztes Mal, und dann steht einer Rückkehr nichts mehr im Wege.«
    Mela schaut ihn an, als spinne er, dennoch klammert sie sichan das nun einmal geäußerte Datum. »Das will ich sehr hoffen«, grollt sie leise, »denn das ist keine Art, einen auf diese Weise in einem fremden Land sitzenzulassen.« Noch ist Mela bereit, an all die von niemandem – außer natürlich von jenem älteren Heyn – verschuldeten Widernisse und Umstände zu glauben, wenn sie nur in absehbarer Zeit aus dem Weg geschafft werden.
    »Die beiden hatten keine Ahnung, daß Gnädigste so bald kommen würden«, sagt der jüngere Heyn mit einer Art Schutzmantelgebärde. »Hoffentlich wissen sie es jetzt. Ich habe keine Ahnung, ob der Konsul mit meinem Bruder Kontakt aufnehmen konnte. Wie gesagt, die paar Tage nachgeholter Hochzeitsreise …«
    »Was?« Mela ist zu überrumpelt für ein »Wie bitte?«. »Wollen Sie damit sagen, daß die beiden am Ende der Welt sind, unerreichbar und ohne zu wissen, daß ich hier bin?«
    »Ich will damit gar nichts sagen«, der jüngere Heyn legt beschwichtigend die Hand auf Melas Ärmel, was sie sich nur mit Mühe gefallen läßt, »aber rechnen muß man mit allem.«
    Auch Borisch merkt, daß nun in Mela der Zorn aufsteigt, der sogenannte heilige, den man am Ausbrechen hindern muß. »Na komm schon«, sagt sie, »woher hätten sie es denn wissen sollen, wenn sie schon länger unterwegs sind.« Mela knirscht leise mit den Zähnen, etwas ist an der Sache faul, und der jüngere Heyn, mit Anzeichen dieser Art möglicherweise vertraut, beeilt sich um einen Themenumschwung.
    »Bevor ich vergesse, ich soll den Konsul entschuldigen. Er ist heute dienstlich unterwegs, doch wird er es sich nicht nehmen lassen, Sie beide morgen abend zu sich zu bitten.« Und respektlos fügt er hinzu, bevor er sich selber entschuldigen muß, um auf die Toilette zu gehen: »Die Frau Konsul wird gleich nach dem Frühstück mit dem Kochen anfangen.«
    Melas Galle schäumt wortlos, und Borisch sticht bei diesem Anblick der Hafer. Lachend sagt sie: »Die glauben anscheinend, du bist noch immer die Kebse des obersten Dienstgebers.« Das sitzt.
    »Erlaube!«
    »Oder meinst du, daß die mit allen solche Geschichten machen? Da muß jemand was gezwitschert haben.« »Erlaube«, Mela schnappt nach Luft, und was sie jetzt sagt, ist eher als Wort im Zorn denn als bewußtes Sprechen oder gar als das Akzeptieren von Tatbeständen zu werten. »Erlaube, aber dieser Heyn, dieser Mann von Frô, ist schließlich auch jemand. Also mach dich nicht lächerlich.«
    »Na also«, Borisch weiß, daß sie recht hat, »langsam begreifst du. Eine gute Partie, was willst du?«
    »Wie gesagt, was uns unterscheidet, ist der Ehrgeiz«, erklärt der jüngere Heyn, als er wieder zurückkommt, maliziös. »Bei meinem Bruder hat er gefruchtet. Ein Streber unter uns Wissenden. Und Beamter. Durch und durch. Daß Sie sich ja keinen Illusionen hingeben. Das heißt Aufstieg in der Hierarchie.«

    Sie habe, sagte Frô, während Ayhan im Bergpalast gewesen sei, eine Lektion in ihrem Sprachlehrbuch wiederholt und dann lange zum Fenster des Hotelzimmers hinausgeschaut. Die Art, wie sich die Menschen auf dem freien Platz davor bewegten, habe sie neugierig gemacht. Sie sei noch nie in einer Stadt gewesen, die so hoch über dem Meeresspiegel und an so kahlgewehten Bergen liege. Sie habe den merkwürdigen Geruch nach Aas, Waschmittel und Sandstaub selbst durch das geschlossene Fenster noch wahrnehmen können, genauso wie jenes feine rieselnde Geräusch, mit dem der Wind eben jenenSandstaub wieder von den Fassaden stäubte, in deren Fugen und Ritzen er ihn kurz zuvor geblasen hatte.
    Erst als die Putzfrau, ohne anzuklopfen, ins Zimmer gekommen sei, um endlich sauberzumachen, habe sie den bewußten Einfall gehabt, den die Putzfrau überraschend schnell verstanden und mit jenem sie verwirrenden, da zustimmenden Kopfschütteln gutgeheißen habe. Sie habe sich also das schwarze Überkleid der Putzfrau angezogen und sich zeigen lassen, wie man den Zipfel vors Gesicht halte, so daß dieses bis auf die Augen bedeckt sei. Wie eine Bergdohle sei sie sich in dem grobseidenen Gewand vorgekommen, und sie habe der Putzfrau versprochen, rechtzeitig zurück zu sein, nämlich

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