Ueber die Wupper
Tanja und
der Fotograf denn vereinbart, sich noch einmal zu
treffen?«
Christine stülpte
die Unterlippe vor. »Davon hat sie nichts gesagt. Er hat ihr
aber seine Visitenkarte gegeben. Boddental hieß er. Marco
Boddental.«
»Sonst ist an
dem Abend nichts passiert?«
»Nein.
Bärchen, einer der Jungs, hat uns nach Hause gefahren. Tanja
zuerst, weil ihr Stiefvater doch immer so ein Theater macht, wenn
sie zu spät kommt. Meine Mutter ist da nicht
so.«
»Und danach hast
du nichts mehr von Tanja gehört? Kein Treffen, kein
Anruf?«
Christine
verneinte.
Max stand auf.
»Die Cola geht auf mich.«
»Dann bring mir
noch eine«, sagte Christine zu Margit.
»Bestell bei
Fred«, sagte Margit und erhob sich. »Ich werde den
Herrn nach Wuppertal begleiten. Da wollen Sie doch hin, oder
nicht?«
Max staunte nicht
schlecht. »Dann muß ich Sie aber auf dem
Gepäckträger festbinden. Ich bin mit dem Mofa
hier.«
»Nicht
nötig«, sagte Margit. »Ich habe ein
Auto.«
Was sie dann noch
sagte, hielt Max zunächst für einen Scherz.
11
Erst als sie ihm den
Schlüssel zuwarf, kapierte Max, daß sie es ernst
meinte.
»Sie müssen
fahren«, wiederholte Margit. »Ich war heute vormittag
zum Sektfrühstück eingeladen. Und dann das Bier. Das ist
mir zu riskant.«
Eine giftgrüne
Sausss-Ente stand unordentlich geparkt auf der Ecke vor einer
Pferdemetzgerei.
Max wog den
Schlüssel in der Hand und überdachte das Problem. Den
Mief von Fahrschulen hatte er sein Leben lang gemieden.
Andererseits hatte er Irmgards Skoda ein paar Mal mit Bravour
über den Hof rangiert. Kennt man einen, kennt man
alle.
Tür- und
Zündschloß waren ein Kinderspiel. Dann wurde es
komplizierter.
»Suchen Sie
was?« fragte Margit.
»Hat der
Automatik?« fragte Max und tastete zwischen den Sitzen
herum.
»Der Schalthebel
ist hier.« Margit zeigte auf eine Krücke, die unterhalb
des Aschenbechers aus dem Armaturenbrett ragte.
»Natürlich«,
sagte Max.
»Sind Sie noch
nie Ente gefahren?«
»Nicht direkt.
Nur noch mal zur Sicherheit: Die Bremse ist
links?«
»Meine
Güte! Links ist die Kupplung. Sie sind aber ganz schön
aus der Übung.«
»Keine
Panik«, sagte Max und zwinkerte. »Ich bin in Null Komma
nichts wieder drin.«
Motor an, Gang rein,
eine ordentliche Portion Gas - und Max' linker Fuß rutschte
vom Kupplungspedal ab. Jaulend radierte die Ente zwei schwarze
Streifen auf den Asphalt und jagte wimmernd die Alte
Bismarckstraße runter.
»Um Himmels
Willen!« schrie Margit. »Die Kurve!«
Die Vollbremsung war
ein satter Erfolg, nicht zuletzt, weil Max mit beiden
Füßen bremste. Dafür verstummte der
Motor.
»Wo haben Sie
denn den Führerschein gemacht?« fragte Margit. Etwas
gequetscht, denn sie hing schwer im Gurt.
»Das ist 'ne
lange Geschichte«, sagte Max und startete erneut, diesmal mit
mehr Gefühl. »Erzähl ich Ihnen mal bei
Gelegenheit.«
Nachdem sie die
Schüttendelle überquert hatten und die
Königstraße entlangrollten, hatte Max das Gefühl,
mit der Technik des Wagens auf du und du zu sein. Kaum noch
Bocksprünge, weitgehend geräuschlose Gangwechsel. Auch
Margit schien das zu spüren, denn ihre Augen hatten wieder
ihre normale Größe, und sie klammerte sich nicht mehr
mit beiden Händen an den Gurt. Max faßte das als
Ermutigung auf, eine Schüppe draufzulegen. Schließlich
war Fahren nur eine Frage des richtigen Rhythmus'. Und Rhythmus
hatte er seit seiner Kindheit im Blut.
Den Linksschwenk in
die Hastener Straße erledigte er im großen Gang. Keine
hundert Meter weiter war die Ente auf
achtzig.
»It's only Rock
and Roll, but I like it!« sang Max.
»Achtung!«
schrie Margit. »Die Frau!«
»Welche
Frau?«
Glücklicherweise
war die Frau noch jung und sportlich dazu. Mit einem beherzten
Sprung rückwärts katapultierte sie sich aus der
Gefahrenzone. Links flog der Setzkasten vorbei. Rechts der Aldi.
Der Berg wurde steiler. Die Ente schneller.
»Brems!«
rief Margit. »Brems, verdammt noch mal!«
Das hätte Max
liebend gern getan. Aber den Wagen auf der Straße zu halten,
verlangte ihm alles ab. Da blieb keine Zeit für Kinkerlitzchen
wie Bremsen. Beinahe waagerecht nahm die Ente die nächste
Linkskurve. Für einen Moment schien es, als wolle sie im
Quartier der Remscheider Billardfreunde auf eine Partie Carambolage
vorbeischauen. Zu spät. Die nächste Kurve. Diesmal rechts
rum.
Max steuerte, was er
konnte. Voll über die Gegenfahrbahn. Die Lichthupe eines
entgegenkommenden Busses. Margits Schrei.
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