Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
Vom Netzwerk:
Geschafft. Und schon
wieder eine Kurve. Die Funken flogen, als die Kotflügel der
Ente die Leitplanke entgrateten.
    »Jetzt reicht's
aber!« Margit versuchte über Max' rechtes Bein hinweg
die Bremse zu treten.
    Es war nicht mehr
nötig. Sie waren im Tal angekommen. Die Ente verlor auf den
ersten Metern des Anstiegs nach Cronenberg rapide an Fahrt. So
rapide, daß der nachfolgende BMW ihnen beinahe in den
Kofferraum knallte.
    »Halt an!«
sagte Margit scharf. »Sofort.«
    Max latschte auf die
Bremse, was den BMW zu einem irrwitzigen Schlenker mit
anschließendem Hupkonzert veranlaßte. Sie standen.
Fahrerwechsel. Keiner blickte den anderen an. Keiner sagte ein
Wort.
    Das fiel erst, nachdem
Margit auf der Hahnerberger Straße eine Telefonzelle entdeckt
und angehalten hatte.
    »Steig
aus«, sagte sie, und Max konnte sich des Eindrucks nicht
erwehren, daß sie ungehalten war, »und sieh nach, ob du
in dem gottverdammten Telefonbuch die gottverdammte Anschrift von
diesem gottverdammten Fotografen findest!
Kapiert?«

12
    Eine Ente ist eine
Ente ist eine Ente. Auch unter Margits kundigen Händen wankte
der Wagen beträchtlich, aber er lag wenigstens nicht quer. Um
die Stimmung zu heben, betätigte sich Max als
Fremdenführer und gab auf der Abfahrt nach Elberfeld die
Geschichte von Tuffi, dem kleinen Zirkuselefanten, der den einzigen
nennenswerten Schwebebahnunfall verursacht hatte, zum besten. Damit
trug er allerdings Eiswürfel nach Grönland, denn wie sich
herausstellte, stammte Margit aus Wipperfürth, der
ältesten Stadt des Bergischen, und kannte Wuppertal besser als
er. Aber wenigstens hatten sie so Gelegenheit, darüber zu
streiten, in welchem Jahr sich der Unfall ereignet hatte. Max
behauptete 1936, Margit 1950. Schließlich wetteten
sie.
    »Irgendwo zu
Hause steht ein Heimatführer, da schlag ich nach«, sagte
Max.
    »Zeitverschwendung.
Fürs Wetten hab ich 'n Händchen.«
    »Dann kannst du
ja meinen nächsten Lottoschein
ausfüllen.«
    Margit schnipste mit
den Fingern. »Und genau dabei versag ich immer. Komisch,
nicht?«
    Sie hielten an einer
roten Ampel.
    »Hast du immer
im Bergischen gewohnt?« fragte Max.
    »Ich hab knapp
zehn Jahre in Berlin gelebt. Ich bin erst vor einem Jahr
zurückgekommen.«
    »Zurück in
die Beschaulichkeit.«
    »Das war zwar
nicht der Grund, aber recht hast du trotzdem. Seit sie die Mauer
abgerissen haben, meint man, jeden Tag sei Schlußverkauf.
Kennst du Berlin?«
    »Westberlin. '83
und '85 war ich mal da.«
    »Mit deiner
Band?«
    »Die gibt's in
der Formation und unter dem Namen erst seit drei Jahren. Damals
sind unser Drummer und ich noch allein
rumgezogen.«
    Die Ampel sprang um,
und Margit legte den Gang ein. »Hast du nie was anderes
gemacht?«
    »Seit ich
fünfzehn war nicht mehr.« Max öffnete das
Klappfenster und schob den Ellbogen raus. »Hast du in Berlin
studiert?«
    »Abendschule.
Hat aber nicht funktioniert. Ich mußte zuviel
arbeiten.«      
    »Und weswegen
bist du zurückgekommen?«
    »Eins
fünfundachtzig, graue Augen, schwarzer Schnäuzer.
Genügt das?«
    Max verspürte so
etwas wie Seitenstechen. Verdammte Milz. Offenbar hatte er sich
hinter dem Lenkrad doch überanstrengt.
    »Ist er reich
und katholisch?« fragte er.
    Margit lachte.
»Weder noch. Jedenfalls nicht, so lange wir zusammen
waren.«
    Das Seitenstechen
verschwand so schnell, wie es gekommen war. Seltsame Geschichte.
Sie kurvten an der Hauptpost vorbei, überquerten die
anschließende Kreuzung und bogen links in die
Neumarktstraße ab. Vorbei am McDonald's und am Alten
Rathaus.
    »Irgendwo hier
muß es sein«, sagte Margit. »Guck mal nach den
Hausnummern.«
    Max konnte keine
Nummer ausmachen. »Halt einfach an, wenn du eine Lücke
siehst.«
    Die Lücke ergab
sich vor dem Kaufhof, gegenüber vom Mesopotamien Grill. Der
Geruch von Fritierfett wehte herüber, als sie
ausstiegen.
    »Und
jetzt?« fragte Margit.
    »Das könnte
das Gebäude sein«, sagte Max.
    Ein schmieriger
Passageneingang. Starlite Videoverleih lockte potentielle Kunden
mit Gummipimmeln und Reizwäsche in der Auslage. Mittendrin ein
Plakat. The Year with Dolly Buster. 
    »Worauf wartest
du?« fragte Margit.
    »Das ist ein
Pornokino«, sagte Max.
    »Das sehe ich.
Aber zu irgendwas werden die Etagen darüber ja auch gut
sein.«
    Ein älterer Mann,
der trotz der Jahreszeit einen langen Regenmantel trug, starrte
Margit an, als sie an ihm vorbeiging.
    »Hier sind
Klingeln.« Sie winkte Max. »Nun komm
schon.«
    Tatsächlich.
Gleich

Weitere Kostenlose Bücher