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Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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des
Gebäudes.
    »Was
gibt's?« rief Max.
    »Tanja«,
rief Chico. »Habt ihr sie gesehen?«
    »Wir
arbeiten«, sagte Max. »Keine Zeit für
Spielereien.«
    »Ohne
Quatsch«, sagte Chico und kam näher. »Sie ist weg.
Verschwunden.«
    Curd und Max grinsten
unisono.
    »Das
amüsiert euch, was?« fragte Chico, als er sie erreicht
hatte.
    »Du wirst alt.
Dein Charme bröckelt.« Max stellte den Gitarrenkoffer
mit der Strat ab. »Ein armer alter Rock 'n' Roller ohne Weib
und Kind. Und jetzt laufen ihm auch noch die Groupies
weg.«
    »Saukomisch.« Chico
zog einen Flunsch. »Wirklich saukomisch.«
    Arno kam ein paar
Schritte zurück. »Wie sieht sie denn
aus?«
    Chico beschrieb sie
kurz und gestenreich.
    »Die hab ich vor
eurem Gig gesehen«, sagte Arno. »Vorne, am Tresen. Da
hat sie Cola getrunken.«
    »Da wollte sie
ja auch auf mich warten«, jammerte Chico. »Ich kapier
das nicht.«
    »Vielleicht
sitzt sie auf dem Pott«, sagte Curd.
    »Nee, da war ich
schon. Ein paar interessante Einblicke, aber keine
Tanja.«
    »Sie wird schon
nicht einsam sein.« Max klemmte sich den Koffer wieder unter
den Arm. »Komm, kannst dich nützlich machen. Mach uns
die Türen auf.«
    Chico trottete zum
Wagen, betätigte den Riegel und zog die Flügeltüren
auf. Erst die rechte, dann die linke. Dann setzte er einen
Fuß auf die Ladefläche, um sich hochzustemmen. Und
prallte zurück, als habe er an ein ungeerdetes Mikro
gefaßt. Mit weit aufgerissenen Augen stolperte er
rückwärts, bis er gegen einen der blauen Schuttcontainer
stieß.
    »Was hast
du?« fragte Max.
    Chico sperrte den Mund
auf, brachte aber nur ein Würgen zustande. Zitternd deutete er
auf den Blitz.
    Max ließ den
Gitarrenkoffer fallen, sprintete zum Wagen und stieß dabei
Arno zur Seite. Die Schnückelchen rollten über den
Asphalt.
    Tanja.
    Sie lag quer im
Laderaum. Die Hacken ihrer Doc Martens zusammen, die Stiefelspitzen
nach außen. Die Strumpfhose war über die linke
Hüfte etwas nach unten gerutscht. Ansonsten war sie nackt. Die
Arme dicht am Körper. Die Handflächen nach oben. Ihr Kopf
ruhte auf dem rechten Radkasten und war nach links verdreht. Sie
starrte Max an, erkannte ihn aber nicht. Sie würde nie wieder
irgendwen erkennen.
    Sie war
tot.
    Woran sie gestorben
war, sah Max erst, als er die Laderaumleuchte einschaltete. Aus der
linken Brust des Mädchens ragte der Griff eines
Messers.
    Fatalerweise kam ihm
das Messer bekannt vor.

4
    Mittwoch, 31.
August
    Das marmorverkleidete
Bürger- und Begegnungszentrum Wermelskirchens. Einer jener
protzigen, stillosen Verwaltungstempel, mit denen
größenwahnsinnige Stadtväter seit den 70ern Kerben
in die querköpfige Individualität ihrer wehrlosen
bergischen Städtchen schlugen.
    Die Kripo residierte
im Obergeschoß der Polizeiwache, die den Marmorprotz gegen
den Parkplatz des Kaufhauses Nickel abschirmte.
Strapazierfähige Auslegware, abwaschbare Wände.
Beschichtetes Mobiliar, das einen Tritt aushielt. Die
Deckenleuchten spiegelten sich in den Fensterscheiben. Jenseits der
Fenster lauerte die Nacht.
    Max gähnte und
sah zum x-ten mal auf die Wanduhr. Fünf vor drei. Seit
eineinhalb Stunden saß er sich Schwielen an den Hintern und
bearbeitete seine Fingerkuppen mit Spucke und Taschentuch.
Verdammte Stempelfarbe. Der junge Uniformierte, der ihm
Gesellschaft leistete, grub mit einer Büroklammer nach
Ohrenschmalz.   
    »Wird es noch
lange dauern?« fragte Max.
    »Wir kriegen
Bescheid«, sagte der Schupo und förderte einen
gewaltigen Pfropfen zutage, den er neugierig begutachtete. Wie ein
Biologiestudent, der seine erste Hummel untersucht.
    Fünf Minuten
später war es soweit.
    *
    Sie waren zu
dritt.
    Hinter dem
Schreibtisch mit dem Tonband saß der Magere, den sie aus
Köln gerufen hatten. Er hieß Ullmann, hatte
Tränensäcke wie Horst Tappert und Zähne, die einem
Zahnarzt einen verschwenderischen Lebensabend an der Côte
d'Azur bescheren konnten. Max schätzte ihn auf Mitte
Fünfzig.
    Den
rückwärtigen Teil des Raums sicherte der Beamte in dem
Wildlederblouson, der als erster am Tatort gewesen war. Er
saß mit halbem Hintern auf der Fensterbank, hieß
Körschgen und gehörte zur lokalen Kripo.
    Der dritte im Bunde
war der junge Assistent mit dem Skinhead-Schnitt, dessen Hals
dicker war als der Kopf. Ihn hatte Ullmann mitgebracht. Er lehnte
an der Wand, kaute Kaugummi und übte, gemein
auszusehen.
    »Setzen Sie
sich«, sagte Ullmann.
    Zwei Stühle
standen zur Auswahl. Max nahm den linken.
    Ullmann schaltete

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