Ueber die Wupper
es nicht. Das Messer hatte ich auf einmal in
der Hand. Ich weiß selbst nicht, wie.«
»Erzähl's
mir.«
Arno hieb mit der
Pistole auf das Geländer. Max hatte das Gefühl, daß
die gesamte Brücke in Schwingung geriet. »Daß das
passiert ist, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Was mußte
sie auch schreien.«
»Sie hat
geschrien?« Ein weiterer Schritt.
»Wie eine
Furie.« Arno stieß sich den Lauf der Pistole vor die
Brust. »Nannte mich einen dreckigen kleinen
Spanner.«
»Warum?«
fragte Max.
Arno umging die Frage.
»Anfangs lief es ganz gut. Nachdem du weg warst und sie
allein an der Theke stand, hab ich sie angesprochen. Ich fand sie
sehr nett, und wir haben uns gut unterhalten. Sie hat sich für
meine Arbeit interessiert. Fand toll, was ich mache. Und dann
wollte sie sich umziehen. Sie war ja total durchnäßt.
Chico hatte ihr gesagt, im Wagen seien trockene Klamotten.«
Arno stieß ein heiseres Bellen aus. »Weiß der
Teufel, was mich geritten hat, ihr nachzugehen.«
»Sie war sehr
schön«, sagte Max und schob sich erneut ein Stück
vor.
»Ja«,
sagte Arno. »Das war sie.«
»Wie lief es
weiter?« Wieder ein Schritt.
»Sie entdeckte
mich, nachdem sie sich das Kleid ausgezogen hatte. Halbnackt wie
sie war, hat sie die Tür aufgemacht und mich beschimpft. Ich
hab ihr gesagt, sie soll still sein. Aber sie hat immer weiter
gezetert, wollte überhaupt nicht mehr aufhören. Da bin
ich rein in den Wagen und hab ihr den Mund
zugehalten.«
»Sie hat sich
gewehrt, und auf einmal hattest du das Messer in der
Hand.«
»Genauso
war's.« Arno stützte sich mit den Unterarmen auf das
Geländer und ließ den Kopf hängen.
»Weiß Gott, Max, ich würd sonst was dafür
geben, wenn ich das ungeschehen machen
könnte.«
Diesmal ein etwas
größerer Schritt. Vielleicht noch sechs Meter.
»Was war mit Conradi?«
Arno wandte sich
wieder Max zu. »Das Schwein hat mich erpreßt. Er ist an
dem Abend um das AJZ geschlichen und hat mich gesehen. Zwei Tage
später tauchte er bei mir auf und wollte
Geld.«
»Hast du
gezahlt?«
»Er wollte
fünftausend. Woher sollte ich die nehmen? Außerdem
kommen solche Typen immer wieder. Bis du dein letztes Hemd los
bist. Da bin ich auf die Idee gekommen, Theo die Sache
anzuhängen. Hab ich nicht gerne getan, aber was Besseres ist
mir nicht eingefallen. Schließlich hatte er schon mal einen
Prozeß wegen Verführung Minderjähriger am
Hals.«
»Du hast ihm die
Kette untergeschoben, die du Tanja abgerissen hattest, und
gleichzeitig hast du ihm die Pistole geklaut.« Ein Schritt.
»Wieso hast du die Halskette eigentlich mitgenommen
?«
»Daß ich
sie in den Fingern hatte, hab ich erst bemerkt, als ich schon
wieder ausgestiegen war.«
»Und wie bist du
zu Irmgards Brustbeutel gekommen?«
»Wieso? Was soll
mit dem Brustbeutel sein?«
»Den haben die
Bullen hinter dem AJZ gefunden.«
»Ach, da ist er
geblieben.« Arno lächelte. »Den hat sie mir vor
zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt. Hab ihn gerne getragen. War
praktisch.«
»Was war mit der
Bombe?«
Arno winkte energisch
ab. »Damit hab ich nichts zu tun, Max. Ehrlich. Die hat euch
sonstwer in den Wagen gelegt.«
Jeder halbwegs
geschickte Heimwerker konnte so eine Bombe bauen, hatte Ullmann
gesagt. Arno konnte nicht mal zwei Bretter zusammennageln. Max
glaubte ihm.
»Wie soll es
jetzt weitergehen?« fragte Max und machte erneut einen
Schritt. »Hört sich zwar blöd an, aber hast du
irgendwelche Pläne?«
Arno warf einen Blick
über das Geländer. »Wie hoch ist die Brücke
eigentlich?«
Max sah auch hinab.
Nichts als Schwärze. »Mehr als hundert
Meter.«
»Wenn man da
runter springt, ist man tot«, sagte Arno
müde.
Max überlief ein
Schauder. Die Wupper. Sauce für den Teufel. Wer hatte das noch
gesagt? Else Lasker-Schüler?
Zu Arno sagte er:
»Selbst wenn du in die Wupper klatschen solltest, der Bach da
unten ist giftig. Und schwimmen kannst du auch nicht.« Noch
ein Schritt. »Stell dich, Arno.«
»Für das,
was ich gemacht habe, krieg ich lebenslänglich.« Arno
klang kläglich. »Das würde ich nicht aushalten,
Max. Du weißt doch, Easy Rider brauchen frische
Luft.«
Langsam, ein Bein nach
dem anderen, stieg er über das Geländer. Als er
drüben war, wechselte er die Pistole in die linke
Hand.
Max bewegte
sich.
»Bleib stehen,
verdammt!« schrie Arno.
Max verharrte erneut.
Ihne trennten nur noch drei Meter von Arno.
»Ich würde
es nur verdammt ungern tun, Max, aber ich erschieß dich,
wenn's sein muß.
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