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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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neuen Hollywoodfi lme auf der Erfolgsschiene des Exorzisten eine Welt des Übernatürlichen voller Grausamkeit und Dämonie. Der er-folgreichste dieser Filme, Jaws (»Der weiße Hai«), handelt von einer blutrünstigen, unersättlichen Bestie, die Männer, Frauen und Kinder verschlingt, nicht ohne sie vorher zerfl eischt und zerkaut zu haben, wie Gott es befi ehlt. Der Hai in Jaws ist ein hyperrealistisches Plastikmodell, »echt« und steuerbar wie die au-dioanimatronischen Automaten in Disneyland. Gleichwohl ist er ein Geistesverwandter der Killer Whales in Marineland. Und die Teufel in Filmen wie The Exorcist oder seiner neuesten Imitation Behind the door sind böse Vettern der heilenden Gottheit von Oral Roberts (und sie manifestieren sich physisch: als grünlicher Sabber und krächzende Stimmen). Und die Erdbeben oder Flutwellen in den sogenannten »Disaster Movies« sind Geschwister jener Natur, die in den kalifornischen Friedhöfen lauschig erscheint, in Gestalt von Ligusterhecken, gepfl egten Rasen und Pinien, durch deren Zweige ein sanfter Wind säuselt. Doch wie die Gute Natur auch physisch in Form von Streicherklängen gespürt werden muß, so muß die Böse Natur auch als körperliche Erschütterung spürbar sein, und das erreicht man durch die synästhetische Mitwirkung jenes »sensourrounding«, das die Zuschauer in den Kinosesseln erzittern läßt. Alles muß »zum Anfassen« körperlich sein für dieses diffuse und sekundäre Amerika, das keine Ahnung hat vom Museum of Modern Art und von der Rebellion eines Edward Kienholz, der die Wachsmuseen nachbaut, aber dann seinen Figuren irritierende Köpfe in Form von Uhren oder surrealisti-schen Taucherhelmen aufsetzt. Es ist das Amerika der Peanuts: das Amerika eines Linus, für den das Glück die Gestalt des Kuschelhündchens oder der Schmusedecke annehmen muß, das Amerika eines Schroeder, dem Beethoven nicht so sehr durch die winzigen Noten auf dem Spielzeugklavier lebendig wird als durch die realistische Marmorbüste, die darauf steht (und vielleicht aus Plastik ist). Ein Amerika, wo das Gute und Schöne, die Kunst, das Märchen und die Geschichte, wenn sie denn schon nicht Fleisch werden können, wenigstens Plastik werden.
    Nach der Ideologie dieses »anderen« Amerika soll die Imitation beruhigend wirken. Doch der Profi t bezwingt die Ideologie, denn die Konsumenten wollen sich nicht nur an der Gewißheit des Guten laben, sondern auch am Schauder des Bösen. Darum müssen in Disneyland neben den Mickymäusen und Teddybären auch das Metaphysische Böse (die Spukgespenster) und das Historische Böse (die Piraten) zu greifbarer Evidenz gerinnen, und darum fi nden wir in den Wachsmuseen neben der Venus von Milo die Grabräuber, Dracula, Frankenstein, Jack the Ripper, den Wolfsmenschen und das Phantom der Oper. Neben dem Guten Wal erhebt sich die Plastikgestalt des Bösen Haies. Beide im gleichen Maße glaubwürdig, beide im gleichen Maße falsch. Und so bleibt der Besucher, wenn er seine Kathedralen der ikonischen Tröstung betritt, weiter im Ungewissen, ob sein Los am Ende die Hölle oder das Paradies sein wird, und konsumiert weiter Verheißungen.
    (1975)
    III
    Die unterirdischen Götter
    Das Heilige ist keine Mode
    Im Jahre 1938 erschien in der Stadt Metropolis, aus dem strah-lenden Smallville kommend, ein gewisser Clark Kent alias Superman, heute überall wohlbekannt. Doch in jenen fernen Zeiten des neotechnischen Kapitalismus, als man in Chicago die Enzyklopädie der vereinigten Wissenschaft plante und die Thesen der metaphysischen Philosophen für puren Blödsinn hielt, war an Superman nichts Mysteriöses. Daß dieser junge Mann wie ein Flugzeug fl iegen und große Schiffe wie Strohhalme hochheben konnte, ließ sich wissenschaftlich erklären. Er kam vom Planeten Krypton, wo die Schwerkraft bekanntlich anders ist, und so war es normal, daß er überirdische Kräfte besaß. Auch sein enormes Gedächtnis kam eher daher, daß er besser als andere jene Quickreading- Fertigkeiten entwickelt hatte, die im übrigen damals schon an den Universitäten gelehrt wurden.
    Der historische Superman hatte nichts Mystisches.
    Anders der Kino-Superman an der Schwelle der achtziger Jahre.
    Erstens hat er nicht zufällig einen so bildfüllend-dominanten Vater wie Marlon Brando, dessen Geschichte fast die Hälfte des Films einnimmt, und zweitens vermittelt dieser Vater dem Kind vor der Abfahrt zur Erde ein Wissen, von dem wir noch nie ge-hört haben, und er konkretisiert

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