Über Gott und die Welt
Banküberfällen ausdrücken kann wie im Totschlag aus Gründen der Ehre, in Kreuzzügen gegen die Ketzer, in Formen von Satanismus, in kollektiven Selbstmorden wie in Guayana, in nationalistischen Schwärmereien und Heldentaten oder in revolutionären Utopien zur Erlösung des Proletariats.
Die Schlußmoral lautete: Wäre den Curcios und Gallinaris ein schöner nationalistischer oder kolonialistischer Mythos geboten worden, womöglich die Vernichtung der Juden, sie hätten sich daran gehalten und nicht an den Traum, den bürgerlich-kapitalistischen Staat im Herzen zu treffen.
Diese Überlegungen werden heute wieder aktuell, wenn man bedenkt, wie einerseits der Prozeß gegen die Entführer und Mörder Aldo Moros zelebriert wird und andererseits der groteske Ritus des britisch-argentinischen Krieges.
Was ist das Erschreckende am Konfl ikt um die Falklandinseln?
Nicht daß General Galtieri einen äußeren Feind gesucht hat, um die inneren Spannungen zu beschwichtigen, denn das ist übliche Diktatorenpraxis, und jeder muß schließlich sein Handwerk verrichten, so schmutzig es sein mag. Auch nicht daß Britannien in einer Weise reagiert, die eher traditionell kolonialistisch als postmodern anmutet, denn Noblesse oblige, und jeder ist der Gefangene seiner eigenen Geschichte und seiner eigenen nationalen Mythen.
Erschreckend ist, daß die Montoneros um Firmenich, die revolutionären Peronisten, all jene Freiheitskämpfer, für die sich die demokratische öffentliche Meinung in Europa eingesetzt hatte, als sie in den Gefängnissen der Generäle schmachteten, und die sogar dann noch gerechtfertigt wurden, als sie mit sporadischem Terrorismus begannen (begreifl ich, hieß es, sie leben ja schließlich in einer Diktatur), daß all diese antiimperialistischen Fulltime-Revolutionäre und geschworenen Feinde des Weltkapitalismus der Multis, sich heute begeistert um die Regierung scharen, entfl ammt von der nationalistischen Einladung, für die heilige Sache des Vaterlandes zu sterben.
Genau wie in meiner erwähnten Geschichte: Hätten die argentinischen Generäle vor zehn Jahren einen schönen Krieg angezettelt, dann hätten all diese Helden nie einen terroristischen Akt begangen, sondern sich todesmutig in die patriotische Schlacht gestürzt, Messer zwischen den Zähnen, die Hände voller Granaten gegen die englischen Kolonialisten, vielleicht mit dem Kampfschrei Monpracem! auf den Lippen als neue Tiger der Pampa.9
Chile hält sich raus, denn Pinochet ist ein bedachtsamer Mann und braucht die Unterstützung der USA, aber Cuba ist sofort einverstanden, auch Castro hat offenbar mehr Karl May als Karl Marx gelesen.
Ich sehe sehr viele Analogien zwischen den Rotbrigadisten im Moro-Prozeß, die als Angeklagte in ihren Käfi gen feixen und grinsen, und den Montoneros, die jetzt Viva Galtieri! schreien.
Und ich sehe auch viele Analogien mit dem, was in einem gegen Ideologie so allergischen Land wie den USA geschehen ist, wo die Gewalt, um auszubrechen, andere Vorwände braucht, zum Beispiel den Satanskult.
Ich verstehe die Indignation und den Ekel von Kommentatoren wie Giampaolo Pansa, der gestern in der Repubblica nicht zu begreifen vermochte, wie die des Mordes angeklagten Rotbrigadisten es fertigbringen, so fröhlich zu sein, statt unter der Last ihrer Schuld zusammenzubrechen. Aber lesen wir einmal die Reportagen nach, die seinerzeit über den Prozeß gegen Charles Manson und seine
»Familie« erschienen sind, nach dem Massaker an Sharon Tate.
Das gleiche Szenario, die gleiche Psychologie, der gleiche Mangel an Gewissensbissen, das gleiche Gefühl, etwas getan zu haben, was einem sonst allzu öden und friedlichen Leben Sinn verlieh.
Die gleiche Fröhlichkeit herrschte bei jenen knapp tausend Ärmsten, die Gift schluckten und es den eigenen Kindern gaben, um dem mystischen Selbstmord eines Predigers nachzueifern, der kurz zuvor noch bereit gewesen war, sich für sehr viel akzeptablere Ziele zu opfern.
Das erklärt schließlich auch die plötzliche »Reue« einiger Terroristen. Wie ist es möglich, daß einer nach der Verhaftung auf einmal bereut, und zwar so tief bereut, daß er die eigenen Genossen denunziert, während er keine Gewissensbisse empfand, als sie einen Wehrlosen mit zwei Genickschüssen liquidierten?
Ganz einfach: Da war ein Impuls zu töten, und als es getan war, war die Sache vorbei, also warum nicht bereuen? Mit Ideologie hat das nichts zu tun, sie war nur ein Vorwand.
Ich bin mir durchaus darüber
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