Über Gott und die Welt
Praxis), den die Roten Brigaden jetzt noch begehen, besonders wenn sie sich gegen die Multinationale des Kapitals auf die Multinationale des Terrorismus berufen?
Erste Naivität: Nachdem das Prinzip der großen Systeme im Ansatz erfaßt worden ist, werden sie von neuem mythologisiert, wenn man behauptet, sie hätten »geheime Pläne«, in deren Besitz unter anderem Aldo Moro sei. In Wirklichkeit haben die gro-
ßen Systeme keine Geheimnisse, und man weiß sehr gut, wie sie funktionieren. Wenn das multinationale Gleichgewicht der Konzerne die Bildung einer Regierung der Linken in Italien nicht ratsam erscheinen läßt, ist es kindisch zu glauben, daß Moro eine Instruktion erhält, in der steht, wie man die Arbeiterklasse in die Knie zwingt. Man braucht »nur« einen Zwischenfall in Südafrika zu provozieren, um den Diamantenmarkt in Amsterdam durch-einanderzubringen, oder den Dollarkurs zu beeinfl ussen, und schon tritt die Lira in eine Krise.
Zweite Naivität: Der Terrorismus ist nicht der Widersacher der großen Systeme. Im Gegenteil, er ist ihr natürliches Gegenstück, akzeptiert und einkalkuliert.
Das System der multinationalen Konzerne kann nicht in einer Weltkriegswirtschaft leben (noch dazu in einer atomaren), aber es weiß, daß es die natürlichen Schübe der biologischen Aggressivität oder das sporadische Aufbegehren von Völkern und Gruppen nicht ganz unterdrücken kann. Darum akzeptiert es einerseits »kleine« lokale Kriege, die von Mal zu Mal diszipliniert und durch gezielte internationale Eingriffe klein gehalten werden müssen, und andererseits eben den Terrorismus. Da und dort ein Betrieb sabotiert, aber das System bleibt intakt. Ab und zu eine Flugzeugentführung, aber dafür gewinnt man das Fernsehen und die Presse. Außerdem ist der Terrorismus nützlich, um die Polizeiapparate und Armeen zu beschäftigen, die sonst womöglich verlangen würden, sich in einem größeren Konfl ikt zu bewähren.
Und schließlich dient der Terrorismus zur Rechtfertigung von disziplinierenden Eingriffen, wenn ein Exzeß an Demokratie die Situation unregierbar zu machen droht.
Der »nationale« Kapitalist à la Onkel Dagobert fürchtet Räuber, Revolten und Revolutionen, die ihm die Produktionsmittel weg-nehmen wollen. Der internationale Kapitalismus unserer Tage, das System der Multis, die in verschiedenen Ländern investieren, hat immer genügend Spielraum, um den Angriff der Terroristen an zwei, drei, vier isolierten Stellen zu überstehen.
Da es kopfl os und herzlos ist, hat das System eine ungeheure Regenerationsfähigkeit. Jeder Schlag trifft es immer nur an der Peripherie. Wenn einmal jemand wie der deutsche Arbeitgeberpräsident auf der Strecke bleibt, ist das ein Unfall, den man hinnimmt wie die Sterblichkeitsrate auf der Autobahn.
Im übrigen schreitet man (und das wurde schon vor Jahren beschrieben) zu einer Medievalisierung des Territoriums, indem man befestigte Burgen errichtet, große Wohnmaschinen mit elektronischen Überwachungsanlagen und Privatpolizei.
Der einzige ernste Unfall wäre ein terroristischer Aufstand in allen Teilen der kapitalistischen Welt, ein Terrorismus der Massen (wie ihn die Roten Brigaden offenbar anstreben). Doch das System der Multis »weiß« (soweit ein System etwas »wissen«
kann), daß diese Hypothese auszuschließen ist: Der moderne Kapitalismus schickt keine Kinder mehr in die Minen. Die Terroristen sind es, die nichts zu verlieren haben als ihre Ketten, aber das System sorgt dafür, daß alle anderen (außer den unver-meidlichen Abgedrängten) in einer Situation verallgemeinerten Terrors etwas zu verlieren hätten. Es »weiß«, daß wenn der Terrorismus beginnen würde, über ein paar pittoreske Aktionen hinaus das Alltagsleben der Massen ernsthaft zu beunruhigen, die Massen dem Terror Einhalt gebieten würden.
Was sieht das System der Multis dagegen ungern, wie sich in diesen Jahren gezeigt hat? Daß plötzlich – zum Beispiel in Spanien, Italien oder Frankreich – Parteien ans Ruder kommen, die große Arbeiterorganisationen hinter sich haben. So
»korrumpierbar« diese Parteien auch sein mögen: Wenn die Massenorganisationen anfangen, ihre Nase in das internationale Management des Kapitals zu stecken, könnte es zu Störungen kommen. Nicht daß die Multis zugrunde gingen, wenn in
Frankreich Marchais an die Stelle von Giscard träte, aber es würde alles viel schwieriger werden.
Die Sorge, daß die Kommunisten, wenn sie an die Macht
kämen, die
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