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Über Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Titel: Über Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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im klaren, daß diese Argumentation sehr leicht zu einer reaktionären Schlußfolgerung verleiten kann: Es gibt keine Ideologien, es gibt keine Ideale, es gibt nur dunkle biologische Kräfte, von denen die Menschen dazu getrieben werden, Blut zu vergießen (eigenes und fremdes), es gibt keinen Unterschied zwischen christlichen Märtyrern, patriotischen Freiheitskämpfern, terroristischen Mördern und antifaschistischen Partisanen.
    Nur eben: Das Problem ist gerade, nicht zu einer solchen Schlußfolgerung zu gelangen. Das Problem ist zu wissen, zu klären und zu begreifen, wann und wo eben nicht jedes Opfer und jedes Blutvergießen nur Triebbefriedigung ist. Doch das erfordert eine lange und mühsame Differenzierungsarbeit, die voraussetzt, daß man zunächst einmal stets und überall vom Verdacht einer Blutopfermystik ausgeht. Ich will nicht suggerieren, daß es keinen Unterschied gäbe zwischen denen, die von der Gesellschaft als Helden anerkannt werden, und denen, die sie als blutige Narren sieht, auch wenn der Unterschied sehr viel kleiner ist, als uns die Schulbücher weismachen wollen. Ich will nicht suggerieren, daß alle Ideologien und alle Ideale stets nur Vorwände für die Abreaktion von tief in der Gattung eingefl eischten Gewaltpotentialen seien. Vielleicht gibt es ein sehr einfaches Unterscheidungskriterium.
    Die wahren Helden, jene, die sich für das Gemeinwohl opfern und von der Gesellschaft als solche anerkannt werden (manchmal erst sehr viel später, während sie im Moment ihrer Tat als verant-wortungslose Narren oder Banditen galten), sind immer Leute, die widerwillig handeln. Leute, die sterben, aber lieber am Leben blieben, die töten, aber so ungern töten, daß sie hinterher darauf verzichten, sich ihres Tötens in einer Notstandslage zu rühmen.
    Die wahren Helden werden immer durch äußere Umstände
    dazu getrieben, Helden zu werden. Sie wählen nie, denn hätten sie noch eine Wahl, so würden sie vorziehen, keine Helden zu sein. Als Beispiel für alle nenne ich Salvo D’Acquisto10, oder die vielen antifaschistischen Partisanen, die in die Berge fl ohen, gefangen wurden, gefoltert wurden und schwiegen, um den Blutzoll zu senken, nicht zu erhöhen.
    Der wahre Held ist immer ein Held aus Versehen, sein Traum wäre es, ein ehrlicher Feigling zu sein wie alle. Hätte er nur gekonnt, er hätte die Sache anders gelöst, unblutig. Er rühmt sich nicht seines Todes noch des Todes der anderen. Doch er bereut nicht. Er leidet und schweigt, und wenn jemand Nutzen aus seiner Heldentat zieht, dann höchstens die anderen, die ihn zu einem Mythos machen, während er, der Achtung verdient, bloß ein armer Teufel war, der Würde und Mut bewiesen hatte in einer Geschichte, die größer war als er.
    Dagegen wissen wir gleich und ohne zu zögern, daß wir denen mißtrauen müssen, die wie aus der Pistole geschossen (und schießend) lospreschen, befeuert von einem Ideal der Reinigung durch Blut, durch eigenes Blut oder fremdes, öfter durch fremdes.
    Sie folgen lediglich einem animalischen Trieb, einem von den Ethologen bereits erforschten Verhaltensmuster. Wir sollten uns weder allzusehr darüber wundern noch allzusehr darüber empö-
    ren. Aber wir sollten auch nicht die Existenz dieser Phänomene verleugnen.
    Wenn man die Fatalität dieser Verhaltensweisen nicht akzeptiert und nicht festen Sinnes anerkennt (indem man Methoden entwickelt, um sie einzugrenzen, vorauszusehen, ihnen andere und weniger grausame Möglichkeiten zur Abreaktion zu bieten), läuft man Gefahr, genauso idealistisch und moralistisch zu werden wie jene, deren blutigen Wahn wir ablehnen. Die Gewalt als biologische Kraft zu erkennen, das ist wahrer Materialismus (ob historischer oder dialektischer, spielt dabei kaum eine Rolle), und die Linke hätte besser daran getan, mehr Biologie und Ethologie zu studieren.
    ( La Repubblica, 16. April 1982)
    Dialog über die Todesstrafe
    Eco: Du siehst bekümmert aus, o Renzo Tramaglino. Was
    bedrückt dein nun doch so ruhiges Dasein im Frieden der Ordnung und des Gesetzes? Sollte dein Weib Lucia, angesta-chelt von jenen neuen Gelüsten, die man die »feministischen«
    nennt, dir die Freuden des Ehegemaches verwehren, um so ihr Recht auf Empfängnisverhütung durchzusetzen? Oder drückt die gute Mutter Agnese allzu heftige Küsse auf die Wangen deiner Sprößlinge und weckt damit unguterweise das Unbewußte in ihnen, so daß du nun fürchtest, sie würden verzärtelt und »mut-terfi xiert«? Oder erzählt

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