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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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heute Universität Stuttgart heißt, nannte sich damals selbstbewusst »Technische Hochschule«. Für Naturwissenschaftler und Techniker sind Utopien in der Regel suspekt, nicht inspirierend.
    Aber der Slogan »Muff von tausend Jahren unter den Talaren« entwickelte natürlich auch hier seinen tristen Charme. Indessen proklamierte der damalige Rektor Fritz Leonhardt – Erbauer des Stuttgarter Fernsehturms, der für alle Fernsehtürme der Welt als Vorbild diente –, anscheinend ganz naiver Gutmensch, die »freundliche Hochschule«.
    An Talaren lag vielen Kollegen nicht viel. Ihre Abschaffung wurde im Senat beschlossen gegen eine Minderheit von Konservativen und gegen meine Stimme, die, ihrer Begründung wegen, den konservativen Professoren nicht so ganz gefiel. Ich appellierte nämlich an die studentischen Senatsvertreter und bat sie um Großherzigkeit. »Ihr nehmt euch« – sagte ich – »seit der Hippie-Bewegung die Freiheit, euch bunt und unkonventionell anzuziehen. Warum wollt ihr es unsmissgönnen, auch dann und wann einen Mummenschanz zu machen und unsere bürgerlich-steifen Anzüge unter pittoresken Gewändern zu verbergen? Lasst uns doch alles nicht so bierernst nehmen.« Die Studenten, mindestens so humorlos wie die Verteidiger des Status quo, ließen sich den grämlichen Ernst nicht ausreden. Und die Talare wurden abgeschafft. Den meinen habe ich bald darauf noch einmal benutzt, um meinen Anzug zu schonen beim Kistenpacken im Zusammenhang mit dem Umzug meines Instituts.
    Härteren Widerstand leisteten die Professoren, als es um Zwischenprüfungen ging, deren Einführung die Studenten forderten. Mit Recht, wie mir schien. Sie fanden, dass Zwischenprüfungen den Studenten während des Studiums mehr Sicherheit gäben als eine einzige Prüfung am Ende.
    Als freilich einige Jahre später der Staat solche Prüfungen einführte, gab es wieder große Proteste von Studenten, die sich in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit eingeschränkt sahen. Eines der Beispiele übrigens, die zeigen, dass man pädagogisch langfristig wichtige Entscheidungen nicht jungen Menschen in die Hand geben darf; denn für sie bedeutet die Universität nur eine kurze Lebensphase und sie weisen jede Verantwortung von sich für Entscheidungen, die ihre Vorgänger ein paar Jahre früher gefordert haben.
    Darum sind Studentenschaften nicht mit Gewerkschaften vergleichbar, wie ja auch Studenten durch Streiks niemandem Schaden zufügen außer sich selbst. Ich war deshalb immer dafür, in den akademischen Gremien auf jeder Ebene eine studentische Repräsentation und deren ausgiebige Anhörung obligatorisch zu machen, nicht aber die Verwischung der Verantwortlichkeit durch ein Mitentscheidungsrecht derer, die nur vorübergehend der Universität angehören.
    In diesem Sinne war ich ein Anhänger der »Ordinarien-Universität«, ohne mir allerdings darüber Illusionen zu machen,dass die Entscheidungsträger natürlich auch ständig versucht sind, bewusst oder unbewusst ihre Partikularinteressen bei diesen Entscheidungen mitspielen zu lassen. So schon bei dem Widerstand gegen die Zwischenprüfungen, die natürlich bedeutende Mehrarbeit für die Professoren mit sich brachten.
    Aber schon früher hatte ich solche Beobachtungen gemacht. So beispielsweise, als es darum ging, angesichts der zunehmenden Zahl der Studenten für jedes Fach Parallel-Lehrstühle zusätzlich zu dem einen Ordinariat zu schaffen. Die Ordinarien leisteten damals zum großen Teil Widerstand dagegen. Das Argument war, es sei für eine harmonische Koordinierung der Lehre in einer Disziplin wichtig, dass die Leitung und Letztverantwortung in einer Hand liege.
    Merkwürdigerweise fiel dieser Widerstand mit der ihn tragenden Argumentation ganz rasch in sich zusammen, als durch Gesetz die Hörgelder pauschaliert wurden. Bis dahin mussten die Studenten für jede belegte Lehrveranstaltung Hörgeld zahlen, und der Professor, der die obligatorische Hauptvorlesung hielt, zu deren Besuch alle Studenten angehalten waren, konnte sich ein schönes Zubrot verdienen, das die Ordinarien – verständlicherweise – nicht gern halbiert sahen. Mit der Pauschalierung des Hörgeldes hatte sich die ganze Sache erledigt.
    Ein anderes Beispiel für solche Interessen-Ideologie war zu beobachten im Zusammenhang mit dem Kampf der Pädagogischen Hochschulen um Universitätsstatus oder Anschluss an eine Universität mitsamt der Habilitationsberechtigung. Viel wurde geschrieben über die Notwendigkeit

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