Ueber Gott und die Welt
Flüchtigen, der bei mir anklopft.«
»Sehen Sie«, sagte der Polizist, »da haben wir doch nicht ganz falsch gelegen. Es hätte ja tatsächlich sein können, dass das Paar, das mit dem Taxi zu Ihnen kam, das gesuchte Terroristenpaar war.«
Gegen dieses Argument war schwer etwas einzuwenden. Man verabschiedete sich auf zivile Art. Böll war aber sichtlich aufgewühlt und beschwerte sich beim Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Jahrzehnte später schilderte der Polizeioffizier in der ZEIT die Begebenheit aus seiner Perspektive – übrigens korrekt. Nur ein Detail verschwiegen sowohl Böll in seiner Beschwerde als auch der Polizist in seinemBericht, nämlich dass wir miteinander Kaffee getrunken und Kuchen gegessen haben.
Auf der Heimfahrt bestellten wir am Kölner Hauptbahnhof in dem dortigen Blumenladen einen Strauß mit weißen Bauernlilien für das Ehepaar Böll. Ich dachte, es seien die richtigen Blumen, um die Verdüsterung des Gemüts als Ergebnis unseres so heiter begonnenen Nachmittags ein bisschen aufzuhellen.
Leider las ich zwei Tage später zufällig irgendwo eine Bemerkung Bölls, dass er weiße Bauernlilien nicht leiden kann, weil sie ihn an kitschige Gipsfiguren des heiligen Josef erinnern.
KAPITEL 6
ANKUNFT IN MÜNCHEN
Die Wiederentdeckung des teleologischen Denkens
Im Jahr 1972 kehren Sie von Heidelberg nach Stuttgart zurück – für eine kurze Zeit. Ein Jahr davor nehmen Sie eine Gastprofessur in Salzburg an. War das für Sie nicht eine recht wechselvolle, hektische Zeit?
Gewiss, das war es. Zurück in Stuttgart an der Technischen Hochschule hatte ich keineswegs den Wunsch aufgegeben, Philosophiestudenten im Hauptfach unterrichten zu können. Viele erfreuliche Erlebnisse mit den Heidelberger Studenten hatten mich darin eher noch bestärkt. So kam mir die Salzburger Gastprofessur gerade recht.
Ich zog mit meiner Familie in ein Bauernhaus nahe Salzburg, wo wir dann über zehn Jahre lebten. Wir lebten in einer ziemlich heilen Welt inmitten eines Kreises befreundeter Familien, erlebten herrliche Bergwanderungen und Hausfeste, bei denen noch alle Generationen zusammen feierten. Meine beiden jüngeren Kinder gingen in Salzburg zur Schule. Diese Zeit haben wir sehr genossen. Meine Verbindung mit der dortigen Universität blieb allerdings ein Intermezzo. Ich erhielt zwar bald einen Ruf auf den dort gerade freigewordenen Philosophielehrstuhl. Ihn hatte Balduin Schwarz seit 1964 bis zu seiner Emeritierung inne, ein Schüler Dietrich von Hildebrands. Beide hatten 1933 Deutschland verlassen müssen.
Aber eine Auseinandersetzung mit der Salzburger Fakultätüber ein Habilitationsverfahren bewog mich, meine Annahme des Rufs in Salzburg zurückzuziehen.
Was war geschehen?
Von meinem Vorgänger hatte ich einen Assistenten übernommen, um dessen Habilitation ich mich zu kümmern hatte. Sie wurde von der Fakultät unter Verletzung einer Reihe von Rechtsregeln rundweg abgeschmettert. Daraufhin sah ich mich gezwungen, eine Aufhebung des Fakultätsbeschlusses im Unterrichtsministerium in Wien zu beantragen.
Der Sektionschef des Kultusministeriums besuchte mich daraufhin in Salzburg. Ich ging mit ihm zum Mittagessen. Gleich zu Beginn machte er die kafkaeske Bemerkung: »Wissen’s, i heb Ihnen jeden Fakultätsbeschluss in Österreich auf. Irgendein Formfehler is immer drin.« Aber meinen Konflikt mit der Fakultät, die sich sehr trickreich anstellte, konnte auch er nicht schlichten. Man wollte die Habilitation unbedingt zu Fall bringen. Dazu wollte ich mich aber nicht hergeben.
Inmitten dieser Turbulenzen erreichte mich ein Ruf des bayerischen Kultusministers Hans Maier auf einen Philosophie-Lehrstuhl in München. Das gab mir die Möglichkeit, Salzburg zu verlassen. Für den Assistenten von Balduin Schwarz habe ich mich dann später an der Universität München eingesetzt, so dass er sich dort habilitieren konnte.
Ich war zwar nicht begeistert von seiner Habilitationsschrift, aber ich meinte eben, es sollte bei Habilitationsverfahren mit rechten Dingen zugehen. Kollegen in Salzburg gaben mir zu verstehen, dass mein Gutachten mit schuld sei an der Ablehnung. Ich hätte Schwächen und Stärken der Arbeit abgewogen, statt sie vorbehaltlos über den grünen Klee zu loben. Das sei in Österreich nun aber einmal nicht üblich, wenn man eine Arbeit durchbringen wolle.
Wie kam es zur Berufung nach München? Hatten Sie sich wegen der Salzburger Querelen beworben?
Nein, ich habe mich in meinem Leben nie
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