Ueber Gott und die Welt
Reinhart Maurer mein Assistent, ein Schüler Joachim Ritters, später an der FU in Berlin. Als ich in München antrat, habe ich einen Assistenten von meinem Vorgänger Max Müller übernommen. Mit mir arbeiteten am Lehrstuhl Peter Reisinger, Karl-Heinz Nusser, später beide außerplanmäßige Professoren an der Münchner Universität. Dazu kamen dann Wolfgang Schrader und Reinhard Löw, die leider beide inzwischen gestorben sind. Und schließlich begleiteten mich bis zum Schluss Thomas Buchheim, Rolf Schönberger und Walter Schweidler, die inzwischen längst Lehrstühle innehaben.
Alle sind Professoren für Philosophie in Deutschland geworden. Ihr Lehrstuhl hat sich als Sprungbrett für akademische Karrieren bewährt. Aber wie war das Klima an Ihrem Lehrstuhl? Duldeten Sie Widerspruch?
Widerspruch, muss ich sagen, hat mich nie geärgert, erst recht nicht, wenn er intelligent vorgebracht wurde und die Einsicht förderte.
Thomas Buchheim zum Beispiel erhob in meinen Seminaren immer wieder Einwände gegen meine Überlegungen. Ich wurde ja als Platoniker betrachtet. Buchheim verteidigte die Sophisten gegen die Kritik in Platons Dialogen. Seine Promotion über die Sophistik als Avantgarde normalen Lebens habe ich gelobt, wenn sie mich auch nicht gänzlich überzeugt hat. Und was Buchheim heute macht, empfinde ich als eine Fortsetzung meiner eigenen Arbeit. Man muss als PhilosophGeduld haben. »Lass dir Zeit« sollten nach Wittgenstein die Worte sein, mit der Philosophen einander begrüßen.
Bei Reinhard Löw war es anders. Er war ein außerordentlich intelligenter, hochbegabter Mann. Er kam von der Pharmazie und kannte sich vorzüglich in der Wissenschaftsgeschichte aus. Als er später ein Angebot erhielt, einen Pharmazie-Lehrstuhl mit sechs Assistentenstellen und einem großen Forschungsfeld in Marburg zu übernehmen, schlug er es aus und blieb bei der Philosophie.
Löw hatte eine glänzende Auffassungsgabe. Seine Dissertation über den Begriff des Lebens in Kants opus postumum ist überaus lehrreich. Aber später hat er seine Intelligenz fast nur noch dazu eingesetzt, meine Thesen zu popularisieren. Ich sah das immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Er war ein guter Freund, aber der Alkohol hat ihn zugrunde gerichtet. Gott sei ihm gnädig.
Sie neigten anscheinend nicht zu doktrinärer Erziehung.
Jedenfalls haben mich meine Schüler zu der Meinung gebracht, bei mir hätten sie sich wirklich in vollkommener Freiheit entfalten und das verfolgen können, was ihnen am Herzen lag und was sie glaubten, selbst eingesehen zu haben.
An der Universität lehren hieß für mich, Studenten an meinem eigenen Denken teilnehmen lassen, so lange, bis das Gefälle sich nivelliert und ich anfange, von ihnen zu lernen. Ich trug vor allem die Sachen vor, die mich selbst interessierten. Dabei machte ich die Erfahrung, wenn ich einen Gedanken darstelle, indem ich mir selber eine Frage beantworte, dann kann ich ihn auch am besten anderen mitteilen, dann ist das für andere interessant. Jedenfalls waren meine Vorlesungen gut besucht.
Ein Schwerpunkt in Ihrer Münchner Zeit galt der Geschichte und Wiederentdeckung des teleologischen Denkens. Darüber haben Sie eine Vorlesung gehalten, die später, 1981, als Buch erschien unter dem Titel »Die Frage Wozu« und 2005 in der Wiederauflage unter dem Titel »Natürliche Ziele«. Was wollten Sie damit bewirken?
Ich stellte ein liebgewordenes Vorurteil der modernen Wissenschaft in Frage, nämlich man müsse auf teleologische Interpretationen der Wirklichkeit verzichten. Das Thema selbst hatte sich mir, wie ich schon sagte, während meiner Arbeit über de Bonald aufgedrängt und beschäftigte mich dann vor allem beim Fénelon-Buch, wo ich die These von einer »Inversion der Teleologie« entwickelte.
Im Wintersemester 1976/77 habe ich dann den Versuch gemacht, der Frage nachzugehen, wie es zur Abkehr vom teleologischen Denken im ausgehenden Mittelalter kam und wie ein Neuzugang zu ihm – die wesentlich schwierigere Frage – gewonnen werden kann.
Im Vorwort zur Buchfassung dieser Vorlesung »Natürliche Ziele« habe ich geschrieben: »Dieses Buch ist die lange Vorrede zu einem kürzeren, streng systematischen Buch, das noch nicht existiert und vielleicht gar nicht existieren kann. Denn – kann man streng systematisch über Teleologie reden?« Kant sah das Problem so: Zum einzig vernünftigen, nämlich teleologischen Gebrauch der Urteilskraft angesichts lebendiger Organismen kann
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