Ueber Gott und die Welt
Materialisten behaupten, die inneren Zustände des Menschen seien nur objektiv materielle Prozesse. Alles andere sei Einbildung. Und die Einbildung ein Anthropomorphismus.
Wenn wir dagegen an so etwas wie einem menschlichen Selbstverständnis festhalten, wollen wir uns selbst darüber belehren, wer wir sind. Gegen die materialistische Abschaffung unseres Selbstverständnisses bedarf es eines elementaren Widerstands, wie ich in der Einleitung des Reclam-Bandes ausgeführt habe. Wir müssen uns von der Fessel des Szientismus befreien und darauf bestehen, uns selbst als Menschen ernst zu nehmen.
Der amerikanische Philosoph Hilary Putnam unterscheidet in der Debatte über die Objektivierung durch Wissenschaft den »internen Realisten« vom »metaphysischen Realisten«. Würden Sie sich als »metaphysischen Realisten« bezeichnen?
Ja. Und zwar ebenso wie Kant »metaphysischer Realist« war. Das bedeutet, dass ich eine Wirklichkeit annehme, die nicht nur Wirklichkeit für mich ist. Wenn ich voraussetze, dass der Andere jenseits alles dessen, was ich von ihm weiß, er selbst ist und genauso real, wie ich selbst real bin, und sein Blick auf mich genauso viel bedeutet wie mein Blick auf ihn, dann ist das metaphysischer Realismus.
Ich habe übrigens mit Putnam darüber einmal ein längeres Gespräch geführt und sagte ihm, wenn wir von anderen Personen sprechen, vor allem aber
mit
ihnen, dann müssen wir metaphysische Realisten sein. Ich muss den Anderen als wirklich, und zwar nicht nur für mich, sondern an sich ansehen.
Putnam antwortete: »Gewiss, Sie haben recht. Aber Erkenntnis anderer Personen ist ein Grenzfall.« Ich hingegen betrachte ihn als den paradigmatischen Fall von Erkenntnis: den Fall, wo der »Gegenstand« der Erkenntnis selbst urteilen und beurteilen kann, ob mein Urteil über ihn zutrifft oder nicht. Ich verstehe andere Personen besser als Einzeller.
Wie kommt Putnam dazu, das Erkennen, das sich auf andere Personen bezieht, nur für einen Grenzfall zu halten? Beziehen wir uns als Menschen vor allem nur auf Gegenstände?
Ich würde sagen, sowohl auf Gegenstände als auch auf Menschen. Unsere Rede ist in der Regel mit jemandem über etwas oder über jemanden. Aber Ausgangspunkt ist der Umgang mit anderen Menschen. Den kann ich nicht als Grenzfall ansehen. Es ist der Fall, wo das Reden »über« jederzeit umschlagenkann in das Reden »mit« oder Reden »zu«. Der Gegenstand der Rede kann auch zugleich der Adressat sein oder auch der Redende selbst.
Warum verlassen sich Philosophen, die von Haus aus keine Naturwissenschaftler sind, auf das naturwissenschaftliche Modell?
Wie Willard V. O. Quine beispielsweise oder Daniel C. Dennett, der in seinem Buch »Consciousness Explained« offen bekannt hat, er habe eine Vorentscheidung getroffen, und zwar gegen das, was er Dualismus nennt. Jede Annahme einer geistigen oder seelischen Wirklichkeit ist für ihn Dualismus.
Er schreibt, »… dass ich mich beim Verfassen dieses Buches einem Dogma unterwerfe: Ich werde den Dualismus
um jeden Preis
vermeiden. Dabei habe ich nicht einmal ein Argument zur Hand, das ihn grundsätzlich widerlegen würde. Aber ich meine, dass die wissenschaftliche Annäherung an das Bewusstsein aufgegeben ist, wenn man den Dualismus akzeptiert.«
Die Option für das alleinige Paradigma der Naturwissenschaft hat niemand knapper und treffender charakterisiert als Thomas Hobbes, der schreibt, eine Sache kennen heiße »to know what we can do with it when we have it«.
Ist das bei Dennett mehr eine Abwehrhaltung, oder befürchtet er, wenn er sich auf eine Diskussion seiner Vorentscheidung einlässt, ins Schwimmen zu geraten?
Ich denke, das Letztere. Dennetts Monismus entspringt einem Glauben, aber einem in sich widersprüchlichen. Sein Glaube, über den er nicht mit sich diskutieren lassen will, entzieht sich jeder Begründung. Das ist für mich Szientismus. Dagegen richtet sich meine Kritik keineswegs gegen die Wissenschaft oder »science« als solche. Ich bin kein Wissenschaftsgegner.Und ich glaube auch nicht, wie manche Naturromantiker, dass die Naturwissenschaft wesentlich anders sein kann als sie ist.
Aber ein Warner, was die Existenz der modernen, szientistisch orientierten Gesellschaft angeht …
Ja, ich meine die Selbstabschaffung der Moderne. Dieser Gedanke ging mir das erste Mal bei der Lektüre von Nietzsche auf. Nietzsche meint ja, dass die Aufklärung einer Tendenz folgt, die auf die Abschaffung Gottes zielt. Aber er fügt
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