Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
Vom Netzwerk:
genaue Lektüre seiner Werke. Was zieht Sie zu Nietzsche?
    Wer sich in Deutschland philosophischem Nachdenken widmet, kommt an Nietzsche nicht vorbei. Ich habe nie längere Zeit mit ihm zugebracht, aber ich habe ihn immer wieder gelesen.
    Als Student in Münster hörte ich eine Nietzsche-Vorlesung von Heinrich Scholz, der nach dem Krieg als Erster die Analytische Philosophie und die moderne Logik in Deutschland bekannt gemacht hatte, nachdem er zuvor evangelischer Theologe war. Er hat eigens Polnisch gelernt, um die polnischen Logiker lesen zu können. Was Nietzsche betraf, da fühlte er sich als Erzieher der akademischen Jugend: Nietzsche war der große Verführer, schuld am Nationalsozialismus,an allem Irrationalismus. Diesem Verführer setzte Scholz die Klarheit des analytischen Denkens entgegen.
    Nietzsche hat das Arkanum der Moderne ausgesprochen. Er hat die Schlussfolgerung aus Prämissen gezogen, die er für schicksalhaft hielt. Die Unannehmbarkeit der Conclusio hat mich, entgegen Nietzsches Intention, dazu geführt, die Prämissen in Frage zu stellen. Nietzsche schreibt, wenn und weil Gott nicht ist, gibt es keine Wahrheit. Ich hingegen schließe: Wenn und weil es Wahrheit gibt, ist Gott.
    Und Nietzsche weiter: Unsere Rede von Dingen ist anthropomorph, wir können eigentlich nicht von Dingen sprechen. Meine Conclusio: Weil wir von Dingen sprechen müssen, müssen wir anthropomorph denken.

KAPITEL 8
ÜBER GLÜCK UND WOHLWOLLEN
    Das Gewissen ist kein lästiger Störenfried
    Ende der achtziger Jahre erscheint Ihr Buch »Glück und Wohlwollen«, das man als Summe aller Gedanken lesen kann, die durch die philosophisch-ethischen Diskurse seit Anfang der siebziger Jahre aufgeworfen wurden. Was hat Sie zu diesem Buch angeregt?
    Unbefriedigend fand ich immer, dass die Antworten auf die Frage nach dem richtigen Leben zwei ganz verschiedene Arten des Denkens ausdrücken. Man könnte die eine aristotelisch und die andere kantisch nennen.
    Bekannt ist der kantische Ausgang von der Ur-Erfahrung des Sollens. Ihm gegenüber wird der Einwand immer lauten: Ein Sollen, das den Pflichttreuen nur unglücklich macht, kann niemanden motivieren. Ein Leben unter dem kategorischen Imperativ »lohnt sich nicht«. Umgekehrt verhält es sich genauso. Wenn jemand offenbar ein glückliches Leben führt auf Kosten eines anderen, den er im Stich lässt und in dem er dadurch Verwüstungen anrichtet – wie will er das verantworten? Er hat ein schlechtes Gewissen – und wenn nicht, umso schlimmer.
    Die Fragen nach dem richtigen Leben müssen Antworten finden. Denn es geht hier ja nicht um theoretische Fragen, bei denen man verschiedene Antworten nebeneinander stellt, sondern um eine praktische, die Existenz betreffende. Wenn gehandelt werden muss, muss man sich entscheiden.
    Und wenn die Philosophie letzten Endes nur dazu führt, dass sich auf höherem Reflexionsniveau dieselben Probleme stellen, die man ohne Philosophie schon gehabt hat, dann hat sich ihre Anstrengung nicht gelohnt. Wenn der Ethikunterricht in der Schule nur dazu führt, dass Schüler mit ein paar »Ethikmodellen« bekannt gemacht werden und darüber gescheit debattieren können, dann hat der Ethikunterricht sich nicht gelohnt.
    In der Politik beobachten wir heute oft, dass nach einem Ethiker gerufen wird, wenn sich Fragen nach dem stellen, was richtig oder falsch ist. Ich bin da immer misstrauisch. Glücklicherweise bin ich nie gefragt worden, ob ich an einer Ethik-Kommission teilnehmen möchte. Es hätte mich in Verlegenheit gebracht, denn in solchen Dingen bin ich ein Anhänger Kants, der schreibt, dass bei Fragen über das Gute oder Böse fortgeschrittene Reflexion und höhere Bildung nichts bedeuten. In der Tat gibt es einfache Menschen mit einem wunderbaren sittlichen Feingefühl und hochgebildete Menschen, die skrupellose Egoisten sind und denen die Vernunft als »Diebesleuchte der Wissenschaft« dient, wie Kant sagt.
    Mit meinem Buch wollte ich erreichen, dass man bei der philosophischen Überlegung über das richtige Leben am Ende etwas klüger geworden ist, als man es am Anfang war. Meine Frage war: Wie geht man mit den beiden ethischen Betrachtungsweisen um? Ist es eine Sache der grundlosen Option für eine der beiden Sichtweisen, oder lassen sich beide integrieren? Ich wollte weder die Frage nach dem glücklichen Leben aus der Ethik eliminieren noch die Erfahrung des Sollens mit ihrer Unbedingtheit dem Wunsch nach »Wellness« opfern.
    Gut, eine Frage zur

Weitere Kostenlose Bücher