Ueber Gott und die Welt
haftet immer etwas leicht Komisches an, wenn jemand sein Nachdenken Forschen nennt. War Kant ein Forscher? Oder Hegel? Das passt eigentlich nicht. Aber Forschungen können dem philosophischen Nachdenkenzugute kommen. Und philosophisches Nachdenken kommt oft der Forschung zugute.
Aber bedarf es nicht der Forschung, wenn man sich mit einem Denker der Philosophiegeschichte beschäftigt?
Wenn ich an meine Arbeiten denke, mein Bonald-Buch beispielsweise – ich habe einen wichtigen Autor entdeckt und versucht, ein paar Dinge, die mir wichtig zu sein schienen, ins Licht zu bringen. Stolz ist man als Philosoph nicht so sehr auf seine eigene Philosophie als vielmehr auf Forschungsergebnisse. Ich meine dabei nicht Forschung im Sinne der Phänomenologen, nicht phänomenologische Forschung, wie sie sagen. Ich kann damit nichts anfangen. Stolz war ich zum Beispiel über den Aufweis der theologischen Genealogie des neuzeitlichen Naturbegriffs bei Rousseau. Auch war ich stolz auf ein Kapitel in meinem Fénelon-Buch, in dem es um die Entdeckung des Kindes geht. Da ist mir vieles aufgegangen: Wann hat die Hochschätzung der Kindheit begonnen? Wie hängt das mit dem Cartesianismus zusammen? Ich habe viel Material über die zeitlich vorausliegende mystische Bewegung beigebracht. Also da konnte ich mir sagen: Du hast etwas herausgefunden. Philosophiegeschichtliche Forschung profitiert übrigens von philosophischer Fragestellung des Forschers und seinen Arbeitshypothesen.
»Material zusammentragen«, nennen das nicht die meisten Geisteswissenschaftler »Forschung«?
Ja. Natürlich habe auch ich Material zusammengetragen. Aber da besteht ein kleiner Unterschied. Wittgenstein sagt einmal: »Die Philosophie ist ein Zusammentragen von Erinnerungen zu einem bestimmten Zweck.« Ich würde sagen, das Philosophische ist der bestimmte Zweck, nicht das Zusammentragen. Es geht nicht blindlings um ein Wissen-Wollen,wo und wann ein Gedanke zuerst aufkommt, sondern ich will verstehen, warum er aufkommt. Das kann ich aber nur verstehen, wenn ich ihn als meinen möglichen Gedanken denken kann und wenn ich über seine Geschichte informiert bin. Denn dann entdecke ich vielleicht den Schlüssel, um auf meine Fragen Antworten zu finden.
In diesem erweiterten Sinne bin ich bereit, auch dieses Sich-Informieren Forschen zu nennen. Was ich aber ablehne, ist, von Forschungsarbeit oder gar von Gedankenarbeit zu sprechen. Das ist keine Arbeit. Arbeiten, das tue ich manchmal im Garten oder wenn ich Dissertationen lesen muss. Oder wenn ich meine Steuererklärung mache. Ein Christ sollte das am Sonntag nie tun. Lese ich aber eine sehr gute Dissertation, hört plötzlich die Arbeit auf.
Geht es einem beim »Historischen Wörterbuch der Philosophie« nicht häufig so? Man liest sich durch die Bedeutungen, die da zu einem Begriff seitenlang zusammengetragen worden sind, und am Schluss, vor lauter Begriffsbestimmungen, fühlt man sich genauso schlau wie zu Beginn.
Das sehe ich eigentlich nicht so. Und wenn es so wäre, hätte es mich kaum interessiert. Die Idee eines solchen historischen Wörterbuchs hatte ich schon als Lektor dem Kohlhammer-Verlag vorgetragen. Der Verlag hatte ja bereits das Kittelsche Wörterbuch zum Neuen Testament. Etwas Ähnliches schwebte mir damals für die Philosophie vor.
Als ich wieder in Münster war, gewann ich Karlfried Gründer für die Idee – die zu Gründer eigentlich ohnehin besser passte als zu mir. Wir präsentierten Ritter das Projekt. Er erwärmte sich rasch dafür. Und durch die Vermittlung von Hermann Lübbe erklärte sich der Benno-Schwabe-Verlag in Basel einverstanden, ein solches – zunächst auf drei Bände geplantes– Historisches Wörterbuch der Philosophie zu verlegen und das alte Eisler-Lexikon, dessen Rechte bei Schwabe lagen, in diesem Wörterbuch aufgehen zu lassen.
Es war das richtige Projekt im richtigen Augenblick. Wir gewannen die kompetentesten Beiträger. Die Aufsätze wurden – entgegen den Vorgaben der Redaktion – immer länger, aber es schien uns als eine nicht zu rechtfertigende Vergeudung von Kompetenz, das hier mit so viel Kenntnis und Sachverstand zusammengetragene Material in der Versenkung verschwinden zu lassen. So wuchs der Umfang schließlich auf 15 Bände, und die Zahl der Abonnenten verdreifachte sich gegenüber dem Beginn. Das Werk gehört heute zum notwendigen Bestand jeder einigermaßen ausgestatteten philosophischen Bibliothek in der ganzen Welt.
Aber zu Ihrem Bedenken, das
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