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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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Sollens-Ethik. Es heißt: Richte deine Entscheidungen und Maximen danach, dass ihre Maßstäbe für jedermann gelten können. Warum soll ich das eigentlich?
    Warum soll ich einem Sollen folgen? Diese Frage ist schon falsch gestellt. Man kann nicht sollen, ohne schon etwas zu wollen. Wenn unser Wollen bloßer Trieb und nicht von Anfang an als
menschliches
Wollen durch einen Vernunftmaßstab qualifiziert wäre, könnte es so etwas wie ein Sollen gar nicht wahrnehmen. Die Frage »Why to be moral?« ist unbeantwortbar, weil jede Antwort schon Moralität voraussetzt.
    Ein Beispiel: Ich habe in einem Betrieb einen Job und könnte durch die verleumderische Andeutung eines Verdachts gegen einen Kollegen eine wichtige Stelle bekommen, die an sich für ihn vorgesehen war. Ich tue das nicht. Sonst könnte ich nicht mehr in den Spiegel schauen. Jemand könnte mir sagen:
    »Du bist blöd. Warum tust du nicht, was deinem Interesse nützt?«
    Antwort: »Weil es nicht schön wäre, so zu handeln.«
    Er: »Und warum tust du nicht etwas Hässliches?« Es ist genau dies der Einwand des Odysseus in dem Drama »Philoktet« des Sophokles: »Begeh doch einmal einen schändlichen Verrat, weil für die Griechen der Sieg davon abhängt. Für die übrige Zeit kannst du dann ein anständiger Mensch sein.« Hier endet die Argumentation.
    Neoptolemos hat nur noch einen zaghaften Einwand: »Was für ein Gesicht soll ich machen bei diesem Verrat, wenn ich den Betroffenen offen ins Gesicht anlüge?«
    Hier kann man schließlich nur sagen: Ende der Debatte. Eine weitere Antwort oder Begründung habe ich nicht. Wenn jemanden die innere Widersprüchlichkeit einer theoretischen Behauptung nicht hindert, an ihr festzuhalten, dannist kein Gespräch mehr möglich. Und wenn jemand das Gewissen, die Stimme der praktischen Vernunft, zum Schweigen gebracht hat, dann gibt es kein weiteres Argument. Man kann nicht dafür argumentieren, dass man auf Argumente hören soll.
    Ich gebe noch ein anderes Beispiel: Jemand hat großen Hunger und bittet mich, ihm etwas zu essen zu geben. Wenn ich ihn frage: »Warum?«, und er antwortet: »Weil ich Hunger habe«, dann könnte ich entgegnen: »Dass du Hunger hast, habe ich schon verstanden, aber wieso sollte ich dir etwas zu essen geben?«
    David Hume hat behauptet, man könne kein Sollen aus einem Sein ableiten. Dass jemand Hunger hat, ist ein Faktum. Aus einem Faktum aber folgt, wenn wir Hume folgen, nichts für das Handeln. Dem Anderen bleibt nur, kopfschüttelnd wegzugehen oder mir, wenn er kann, meine Geldbörse mit Gewalt wegzunehmen, um sich Brot zu kaufen. Die Kirchenväter hätten ihm recht gegeben. Sie lehrten, dass dem Hungernden das Brot gehört, das er braucht.
    Zurück zum Beispiel Verleumdung. Jemand fragt: Warum hast du deinen Kollegen nicht verleumdet? Ich könnte antworten: Ich wäre meines Lebens nicht mehr froh, wenn ich die Stellung durch eine Verleumdung erlangt hätte. Kant erwidert darauf: Warum wirst du deines Lebens nicht mehr froh? Offenbar weil du ein moralisches Gefühl hast. Hättest du es nicht, dann wäre dir die Verleumdung egal und du könntest deines Lebens nach wie vor froh werden. Kant schreibt, man müsse »schon auf halbem Wege ein anständiger Mensch sein«, um sich von der Zufriedenheit eines guten Gewissens auch nur eine Vorstellung machen zu können.
    Das Gewissen ist kein lästiger Störenfried bei der Suche nach Glück, dessen man sich am liebsten entledigen möchte. Das Gewissen macht uns unerbittlich aufmerksam auf dieWirklichkeit, die wir bei der Befriedigung unserer Wünsche abzuschirmen geneigt sind. Letzten Endes wollen wir ja nicht unser Wohlbefinden um jeden Preis einer Illusion verdanken. Das Ziel, glücklich zu sein, ist kein Ziel wie andere, für deren Erreichung wir Mittel suchen. Unsere Handlungen sind nicht einfach Mittel zur Erreichung der
Eudaimonia
, sondern Teile des Lebens. Die Relation Teil-Ganzes ist hier passender als die Relation Mittel-Zweck. Glück ist, wie Max Scheler gezeigt hat, überhaupt kein direkt intendierbares Ziel.
    Wird den Eudämonisten nicht vorgeworfen, ihr Glücksstreben sei Egoismus?
    Das ist die Schwäche des traditionellen Eudämonismus, zu dem ich aber Aristoteles nicht rechnen würde – eher Epikur, für den Glück einfach im Sich-Wohlfühlen besteht. Wenn du dich wohlfühlst, ist alles in Ordnung. Das Merkwürdige ist jedoch: Wenn man diesen Eudämonismus zu Ende denkt, gelangt man an einen Punkt jenseits des Egoismus.
    In »Glück

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