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Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
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einem Patienten das Leben rettet. Aber die Angehörigen wünschen sich seinen Tod. Er ist ein Familientyrann, der seine Frau und seine Kinder quält. Nur: Das geht den Chirurgen nichts an. Für die Familie trägt er nicht die Verantwortung. Seine Verantwortung besteht allein darin, durch eine Operation den Patienten zu retten, und der Patient muss das Vertrauen haben können, dass der Chirurg ihn retten will. Das funktioniert aber nur, wenn der Chirurg entlastet ist und ihm keine Universalverantwortung aufgebürdet wird.
    In totalitären Ländern wie der vormaligen Sowjetunion wurden Dissidenten in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Ärzte wurden zu Bütteln des Regimes und hatten für denSowjetstaat Verantwortung. Wenn wir alle unsere Handlungen messen müssten an dem, was universell für alle das Beste ist, dann könnten wir überhaupt nicht handeln.

    ZWEIMAL CASTEL GANDOLFO
    Ich werde öffentlich gern apostrophiert als »Berater des Papstes« oder gar »Freund des Papstes«. Was das Letztere betrifft, so mag man sich darauf berufen, dass Kardinal Ratzinger mir eines seiner Bücher – »Kirche, Ökumene, Politik« – »in Freundschaft gewidmet« hat. Zweimal habe ich überdies auf Tagungen der Glaubenskongregation, deren Präfekt er war, gesprochen, einmal zum Thema Erbsünde und einmal zum Thema Evolution. Man mag dann noch dazuzählen eine Einladung zu dem jährlichen Treffen der Schüler von Kardinal Ratzinger, wiederum zu einem Vortrag zum Thema Evolution, diesmal in Castel Gandolfo, das mir aus der Zeit seines Vorgängers bekannt war.
    Der »Berater des Papstes« kursierte aber schon vorher, nämlich unter Johannes Paul II. Unter ihm wurde ich nicht nur als Mitglied in die Päpstliche Akademie für das Leben berufen, sondern nahm auch regelmäßig an den Tagungen des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen teil, die der damalige Papst Johannes Paul II. nicht initiiert hatte, sondern für die er nur als Gastgeber in Castel Gandolfo fungierte. Als Mitglied des Beirats dieses Instituts war ich ein regelmäßiger Teilnehmer der Jahrestagungen. Dieses internationale Institut verdankt sich einer Initiative des in Wien lebenden damaligen Dozenten an der Warschauer Universität Krzysztof Michalski.
    Michalski hatte in der Zeit des Kalten Krieges den Gedanken, etwas gegen das gänzliche Auseinanderdriften der Humanwissenschaften im Westen und in den kommunistischen Ländern zu tun. Wien war dafür ein geeigneter Ort. Aber wie sollte man einem solchen Institut so auf die Beine helfen, dass es die zugrundeliegende Intention tatsächlich würde erfüllen können? Michalski kam auf die Idee, den Papst, den er als Erzbischof von Krakau kennen gelernt hatte, mit dieser Idee bekanntzumachen. Der Papst, der einerseits ein Mann des Gebetes und andererseits ein durch und durch politischer Mensch war, war sofort bereit, das Unternehmen zu unterstützen, indem er als Gastgeber für drei Tage Castel Gandolfo und seine Teilnahme an der Tagung anbot.
    Michalskis Idee war glänzend. Er konnte einladen, wen er wollte. Kein noch so Prominenter lehnte eine Einladung des Papstes nach Castel Gandolfo ab. Carl Friedrich von Weizsäcker war dort, Hans-Georg Gadamer, Ernst-Wolfgang Böckenförde, Paul Ricœur, Emmanuel Levinas, Ralf Dahrendorf, Bernard Lewis und andere. Die Vorträge auf diesen Tagungen zu humanwissenschaftlichen, soziologischen und politikwissenschaftlichen Themen waren auf drei Tage verteilt, und man ging davon aus, dass alle Teilnehmer hinreichend Deutsch, Französisch und Englisch verstanden, dass jeder in einer dieser drei Sprachen sprechen konnte und die anderen jeweils folgen konnten.
    Der Papst lud jeweils eine Sprachgruppe zum Essen ein, damit er bei einer Mahlzeit nur in einer Sprache sprechen musste. Er war im Übrigen drei Tage lang ein aufmerksamer Zuhörer bei diesen Vorträgen. An den Diskussionen beteiligte er sich nicht. Wenn sie ihn weniger interessierten, beobachtete ich, wie er unter dem Tisch einen Rosenkranz durch seine Finger gleiten ließ. Oder er blätterte in einem Weltatlas. Er war ein Mann aufmerksamen Zuhörens und des freundschaftlichenGesprächs, weniger der Diskussion, im Unterschied zu seinem Nachfolger Benedikt XVI., der nicht nur Oriana Fallaci persönlich einlud, sondern auch den Chef der Piusbruderschaft, Bischof Fellay; oder auch seinen früheren Kollegen und bekannten Papstkritiker Hans Küng.
    Der Papst nahm keinerlei Einfluss auf die Thematik der Tagungen und auf die

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