Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber Gott und die Welt

Ueber Gott und die Welt

Titel: Ueber Gott und die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Spaemann
Vom Netzwerk:
ja, so meinte er, das Gelingen dieses ganzen Projektes ab. Während er mit dem Papst redete, stand ich in der Nähe. Der Papst drehte sich um und bat mich, zu diesem Gespräch hinzuzukommen. Er fragte mich, wie ich über diese Idee denke. Ich musste die Wahrheit sagen. Kurz zuvor hatte ich bereits in der »Frankfurter Allgemeinen« einen langen kritischen Artikel über dieses Projekt geschrieben. Ich war der Meinung, dass einer Versammlung von Christen keine besonderen Erkenntnisquellen zur Verfügung stünden, die die Welt in der Friedensfrage weiterbringen könnten. Der Zusammenbruch der kommunistischen Welt kurz danach und das Ende des Kalten Krieges geschah nach ganz anderen Mechanismen. Eine Friedensversammlung aller Christen oder garaller Religionen hätte hier nicht mehr, sondern eher weniger bewirken können. Die Gefahr bei einer solchen Veranstaltung wäre es aber, das sagte ich auch zum Papst, dass hier Hoffnungen geweckt würden, die am Ende nicht erfüllt werden könnten und deshalb weder der Menschheit noch der Kirche förderlich wären.
    Damit war das Gespräch mehr oder weniger zu Ende. Carl Friedrich von Weizsäcker war sehr erregt, lief rot an und fuhr mich später an:
    »Herr Spaemann, haben Sie bedacht, dass vielleicht der dritte Weltkrieg ausbricht, weil Herr Spaemann dem Papst die Teilnahme an diesem Weltkonzil ausgeredet hat?«
    Ich konnte darauf nur antworten: »Lieber Herr von Weizsäcker, Sie überschätzen maßlos die politische Bedeutung dessen, was ich sage, und sogar die politische Bedeutung dessen, was Sie sagen. Die ganze Sache wird so oder so folgenlos im Sande verlaufen.«
    Nicht lange darauf sprach mich der Bundespräsident Richard von Weizsäcker anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Hans Jonas an und fragte:
    »Was macht denn Ihr Streit mit meinem Bruder?«
    Ich sagte ihm, ich hätte seinen Bruder unlängst gesehen, sei aber nach wie vor der Meinung, dass bei einem solchen sogenannten Konzil eigentlich nichts herauskommen könnte. Der Bundespräsident gab daraufhin die lakonische und machiavellistische Antwort:
    »Herr Spaemann, dass nichts dabei herauskommt, ist die Bedingung dafür, dass es stattfindet.«

    Noch eine Frage zum »Wohlwollen«: Wie nahe steht dieser Begriff Kants »gutem Willen«?
    Er ist dem Kant’schen Gedanken sehr ähnlich, wobei das Wohlwollen übrigens auch die Selbstliebe einschließt. Wenn jemand notorisch seine Gesundheit ruiniert – nicht weil er etwas Wichtiges tut, das sein Verhalten rechtfertigen könnte, sondern weil er beispielsweise Drogen nimmt –, dann fehlt ihm das Wohlwollen zu sich selbst. Um bestimmter Zustände willen, in denen er sich gern befinden möchte, opfert er sich selbst. Das ist kein Wohlwollen.
    Aber normalerweise bezieht sich das Wort »Wohlwollen« auf andere. Es gibt von Friedrich von Spee einen schönen Abschnitt in seinem »Güldenen Tugendbuch«, das Leibniz übrigens sehr hoch schätzte. Da unterscheidet er ganz im Sinne der Tradition
amor concupiscentiae
und
amor benevolentiae
, die Liebe des Begehrens und die Liebe des Wohlwollens. Den Unterschied beschreibt er so: Die Liebe des Begehrens will etwas für sich haben. Der Liebe des Wohlwollens aber geht es wirklich um den Anderen.
    Die Tradition spricht oft abschätzig über den
amor concupiscentiae
als einer Form des Egoismus. Es gehört aber zu den Paradoxien der Liebe, dass Wohlwollen Begehren einschließen kann. Wir wären mit einer Freundschaft nicht zufrieden, wenn der Freund uns zwar von Herzen alles Gute wünscht, aber keinen Wert darauf legt, uns zu sehen. Solche Selbstlosigkeit wäre fast wie eine Beleidigung. Der Wunsch, mit dem Anderen zusammen zu sein, gehört zur Freundschaft. Und wir möchten, dass der Andere ebenso wie wir selbst diesen Wunsch hat. Freundschaft, freundschaftliche Liebe, ist nicht Altruismus. Es ist die Eigentümlichkeit der Liebe, dass sich in ihr der Gegensatz von Altruismus und Egoismus auflöst.
    Pawel Florenskij widmet das letzte Kapitel seines großen Werkes »Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit« der Rehabilitierungder Eifersucht. Gott selbst zeigt sich ja im Alten Testament öfter im Verhältnis zu Israel als eifersüchtiger Bräutigam gegenüber seiner Braut. Und sogar in den Zehn Geboten zeigt sich Gott als eifersüchtiger Liebhaber seines Volkes: »Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.«
Amor concupiscentiae
ist ein Teil des
amor benevolentiae
, was die Tradition nicht genügend

Weitere Kostenlose Bücher